Heute habe ich eine frühe Überraschung für euch: DORIAN HUNTER Band 93 ist vor Kurzem fertig geworden und nun auf dem Weg in die Druckerei. Der Titel des Bands wird „Rache der Dschinnen“ lauten, und geschrieben wurde er von Catherine Parker und Christian Schwarz. Damit ihr schon einmal wisst, worauf ihr euch im Spätsommer freuen könnt, habe ich euch eine Leseprobe aus Catherine Parkers Teilroman mitgebracht.

Der Augustabend war drückend schwül. Gewitter waren angekündigt. In den Straßen von Wien regte sich kurz nach 23 Uhr kein Lüftchen.

Salamanda Setis, die Schiedsrichterin der Schwarzen Familie, stand am offenen Fenster ihres Büros und telefonierte.

„Was?“, rief sie und gestikulierte heftig.

Jemand, der die Rabisu nicht kannte, hätte vielleicht angenommen, dass es die Hitze war, die ihr Gesicht hochrot färbte. Doch die babylonische Vampirin störte sich keinesfalls an den sommerlichen Temperaturen.

Es war das Geständnis von Solomon Keyes, das ihren Zorn entflammte.

„Wie konnte dir Olivaro erneut entwischen?“, tobte sie.

Ihre Fingernägel krallten sich in den hölzernen Fensterrahmen, während sie der Schilderung des dämonischen Kopfgeldjägers lauschte. Die Geschehnisse in Venedig fachten Salamandas Wut nur noch weiter an – vor allem, als der Name Dorian Hunter fiel.

„Statt den verfluchten Dämonenkiller gleich mit zu erledigen, hast du beide entkommen lassen? Reicht es nicht, dass du bereits im Winchester House versagt hast? Allmählich bezweifle ich, ob du der Richtige für diesen wichtigen Auftrag bist.“

Keyes versuchte, sie zu beschwichtigen. „Bisher war ich mit jedem meiner Aufträge erfolgreich. Also werde ich auch dieses Mal zu Ende bringen, wofür ich angeheuert wurde.“

„Das hoffe ich!“

„Tja, es gibt da nur ein kleines Problem …“

„Sagtest du nicht, du würdest Probleme lösen statt sie zu verursachen?“

Salamanda hieb die Nägel noch tiefer ins Holz. Winzige Splitter regneten zu Boden, als sie die Hand zurückriss. Keyes konnte sich glücklich schätzen, dass er nicht direkt vor ihr stand, sondern aus Italien anrief. Sonst hätte sie ihm vermutlich den Kopf abgerissen.

„Olivaro ist mit Hunter zurück nach London gereist“, gab Keyes zu. „Leider ist es mir bisher nicht gelungen, die Barriere zu überwinden. Solange ich die britische Insel nicht betreten kann, befindet sich das Ziel außerhalb meiner Reichweite.“

„Du bist also komplett gescheitert. Wie ein lächerlicher Anfänger! Ich dachte, du seist Profi? Der Beste, den es gibt, hast du behauptet.“

„Ich bin der Beste. Garantiert.“ Keyes lachte nervös. „Vielleicht erweist es sich ja sogar als Vorteil, wenn ich Olivaro dort erwische, wo er sich am sichersten fühlt. In London rechnet niemand mit mir. Aber um ins Land zu kommen, brauche ich Hilfe. Oder wenigstens einen Tipp, wie ich hinter die Barriere gelange.“

Salamanda schloss die Augen. Die verdammte Barriere!

Dass es Dorians Team und der Magischen Bruderschaft gelungen war, sie zu errichten und rings um Großbritannien aufrechtzuerhalten, war ein echter Alptraum. Nie hätte man in Dämonenkreisen so etwas für möglich gehalten. Noch weigerte Asmodi sich hartnäckig, die neue Barriere als unveränderliche Tatsache zu akzeptieren. Derzeit waren mehrere Späher in seinem Auftrag unterwegs, um gezielt nach Schwachstellen zu suchen. Es kursierten zudem Gerüchte, dass das Innere der Insel nicht völlig dämonenfrei war.

„Soweit ich gehört habe, stehen die Chancen im Norden am besten“, fauchte sie. „An der Küste von Schottland, abseits der Häfen. Aber wofür bezahle ich dich eigentlich, wenn du dir solche Informationen nicht selbst beschaffen kannst?“

Keyes nuschelte eine Rechtfertigung, die Salamanda jedoch kaum wahrnahm.

Etwas anderes hatte ihre Aufmerksamkeit erregt.

Eine Katze. Mit majestätischen Schritten bewegte sich wie ein silbergrauer Schatten über die verlassene Straße. Weitere folgten. Im Halbkreis sammelten sie sich unter Salamandas Fenster, die Köpfe abwartend erhoben.

Die Schiedsrichterin der Schwarzen Familie unterdrückte einen Fluch. Kein Zweifel, diese Katzen waren Gesandte von Bastet. Die ägyptische Göttin schickte sie stets aus, damit sie ihre Botschaften überbrachten.

„Na großartig“, murmelte Salamanda.

Ausgerechnet jetzt muss Bastet sich melden.

Sie warf ihr langes dunkles Haar zurück und biss sich unwillig auf die Lippen. „Als hätte ich sonst gerade keine Probleme.“

„Bitte?“, fragte Keyes irritiert.

„Gar nichts“, fuhr sie ihn an. „Wir sind fertig, Kopfgeldjäger. Erledige deinen Job! Dies ist die allerletzte Chance, die du bekommst. Wenn du den dritten Versuch auch vermasselst, knöpfe ich mir dich und deine Vergangenheit persönlich vor. Ich bin sicher, es gab etliche Gelegenheiten, bei denen du gegen die Regeln der Schwarzen Familie verstoßen hast. Dafür willst du gewiss nicht von mir zur Rechenschaft gezogen werden …“

Keyes war alles andere als dumm. Er verstand ihre Drohung genau so, wie sie gemeint war.

„Ich werde Olivaro erledigen“, versicherte er. „Glaub mir, er ist schon so gut wie tot.“

„Das hoffe ich für dich.“ Salamanda beendete das Gespräch. Sie hoffte wirklich, dass Keyes nicht zu viel versprochen hatte.

Ein weiteres Versagen seinerseits würde sie nicht dulden.

Nachdenklich starrte sie zu den Katzen hinunter. Die nächtliche Versammlung starrte zu ihr herauf. Salamanda begriff, dass es eine Aufforderung war. Die Katzen warteten, dass sie das Büro verließ. Offenbar hatten sie ihr etwas mitzuteilen oder sollten sie irgendwohin führen.

Seufzend schloss Salamanda das Fenster des Schiedsrichterbüros. Ihre Absätze hallten durch die Dunkelheit, als sie gleich darauf hinaus auf die Straße trat. Eine mystische Stille herrschte, die so gar nicht zu der lebhaften Stadt passte, als die sie Wien sonst kannte.

„Was wollt ihr von mir?“, herrschte sie die Katzen an.

Die Augen der silbergrauen Anführerin funkelten vor Empörung.

Salamanda las eine ernste Rüge darin. Sie ermahnte sich selbst, den Botinnen der Göttin mehr Respekt zu zollen. Zum Zeichen, dass sie verstanden hatte, löste sie ihre verschränkten Arme und neigte den Kopf. Mehr an Demut zu zeigen, war ihr gerade nicht möglich. Der Ärger über Solomon Keyes‘ Versagen brodelte immer noch in ihr.

Auf einen stummen Befehl hin setzte sich die Karawane der Katzen in Bewegung.

Lautlos stolzierten sie alle hinter der Silbergrauen durch die schwülwarme Nacht. Salamanda folgte in geringem Abstand und wunderte sich, dass nirgendwo Menschen unterwegs waren. Warum fühlte sie sich dann trotzdem beobachtet?

Sie verharrte und lauschte mit geschärften Sinnen in alle Richtungen. Wer auch immer in der Nähe war, hielt sich strikt verborgen. Sie konnte keine Witterung aufnehmen.

Aber irgendjemand ist hier.

Sie spürte es. Und ihr Instinkt hatte sie noch nie getrogen.

Ein anklagendes Maunzen bedeutete ihr, wieder zu den Katzen aufzuschließen.

„Ich komme ja schon.“ Salamanda beschleunigte ihre Schritte.

Erstes Donnergrollen in der Ferne wies auf ein nahendes Gewitter hin.

„Ist es noch weit?“ Sie legte keinen Wert darauf, nass zu werden. Im Gegenteil.

Das fehlt mir gerade noch.

Zu ihrer Linken erstreckte sich ein kleiner Park. Die weite Rasenfläche schimmerte im Licht des Mondes. Ein bemooster Springbrunnen plätscherte. Schattengleich huschten die Katzen unter den hohen Bäumen dahin und strebten einem Kinderspielplatz zu. Allmählich verlor Salamanda die Geduld.

„He“, rief sie ungeduldig. „Wohin führt ihr mich? Soll das ein Scherz sein?“

Sie betrachtete die verwitterten Schaukeln und das rostige Drehkarussell. Auf der Parkbank neben dem Sandkasten lag ein vergessener Plastikbagger. Anklagend reckte er seine Schaufel in die Höhe. Salamanda wandte sich zu den Katzen um.

Reglos und Statuen gleich hatten sich die tierischen Wächter um den Sandkasten gruppiert. Ein erhabener Anblick.

Unwillkürlich fühlte Salamanda sich in die Vergangenheit versetzt. Erinnerungen an die glanzvolle Pracht Ägyptens tauchten in ihr auf. Pyramiden und Dattelpalmen, Wüstensonne und trockener Wind, brennend heißer Sand unter den Fußsohlen …

Dann entdeckte sie die Zeichen. Jemand hatte im Sandkasten des Wiener Spielplatzes eine Nachricht für sie hinterlassen. Die altägyptischen Symbole ließen keinen Zweifel zu, wer die Botschaft verfasst hatte: Bastet.