„Schreiben ist wichtig für mich!“

31. Mai 2020

Die aktuellen Bände Nr. 45 und 46 der DORIAN HUNTER-Romanheft-Neuauflage von Bastei wurden von Ernst Vlcek verfasst. Ein seltener Fall aufgrund des doch recht großen Autorenteams – und für mich ein Anlass, einmal in alten Unterlagen zu blättern, speziell in einem Festband mit dem Titel „Autor, Mensch, Terraner“, der anlässlich von Ernsts 60. Geburtstag im Jahr 2001 erschienen ist. Mitglied des Redaktionsteams war übrigens ein gewisser Michael Marcus Thurner, der heute nicht nur bei PERRY RHODAN in Ernsts Fußstapfen getreten ist, sondern auch bei – DORIAN HUNTER, wo er ja neuerdings sogar die Exposéarbeit für die Buchserie übernommen hat. In „Autor, Mensch, Terraner“ finden sich viele Informationen zu Ernst Vlceks Schaffen, natürlich mit dem Schwerpunkt auf seiner Arbeit für PERRY RHODAN. Etwa in der Mitte des Buches hat er in einem Interview jedoch auch Antworten auf einige private Fragen gegeben, so zum Beispiel, was für ihn Glück bedeutet, was ihm im Leben wichtig ist – oder was eine Reise nach Island mit DORIAN HUNTER zu tun hat. Ich habe die Antworten zusammengetragen und gebe das Interview aus „Autor, Mensch, Terraner“, das seinerzeit von Wolfgang Zenker und Erich Loydl geführt wurde, hier dementsprechend auszugsweise wieder:

Du bist im 10. Bezirk von Wien geboren, einem Arbeiterbezirk. Wie bist du aufgewachsen?


Meine Mutter war Hausfrau, mein Vater war HIlfsarbeiter beim ANKER-Brot (eine traditionelle Wiener Großbäckerei) und hat dort die Mehlsäcke verladen. Er ist dann auch an einer Staublunge gestorben, auf jeden Fall viel zu früh. Ich war körperlich sehr schwach und bin im Grunde immer auf der Flucht gewesen.


Welche Berufe hast du ausgeübt, bevor du dich hauptberuflich dem Schreiben gewidmet hast?


Ich habe Schuhverkäufer gelernt, aber ich wollte eine Arbeit haben, neben der ich schreiben konnte. Ich war zwischendurch Kistenzunagler bei “Felten & Guillaume“, da konnte ich nebenbei schreiben und in der Arbeitszeit Karten spielen. Eigentlich war ich ein fauler Hund, ich war nur dann fleißig, wenn ich schreiben durfte.


Hast du im Schreiben auch eine Möglichkeit eines sozialen Aufstiegs gesehen?


Auf jeden Fall! Mein sozialer Aufstieg hat damit begonnen, dass ich über die Science-Fiction-Fans der Wiener Gruppe aus den Slums herausgekommen bin. Was hätte ich denn werden sollen? Schuhverkäufer, Geschäftsführer bei „Humanic“ (eine Schuhhandelskette in Österreich)? Ich sehe das also sehr wohl als sozialen Aufstieg, dass ich von dort weggekommen bin, wo ich aufgewachsen bin. Dass ich nicht mehr in der Mietskaserne wohne, dass ich eine Familie haben, auf ich stolz sein kann, und dass ich das machen kann, was ich am liebsten tue – und auch noch Geld dafür kriege!


Ein Selfmade-Man?


Ja, absolut. Ich bin totaler Autodidakt.


Du bist während des Krieges geboren und in der Besatzungszeit aufgewachsen. Du bist ja als Pazifist bekannt. Hängt das mit jener Zeit zusammen?


Glaube ich nicht. Ich habe Kindheitserinnerungen, aber bei denen ist es immer so, dass man nicht weiß, ob es eigene Erinnerungen sind oder die Folgeerscheinungen von Erzählungen der Erwachsenen, dass irgendwas passiert ist. An was ich mich noch gut erinnern kann, ist, dass sich meine Mutter einmal beim Holzsammeln verletzt hat. Wir haben damals in den Schutthalden Holz zum Einheizen gesucht, meine Mutter ist zusammengebrochen und hat sich einen Holzpfahl in den Oberschenkel gerammt. Erinnern kann ich mich auch noch, dass mich ein russischer Pilot in seinem Doppeldecker auf einen Rundflug mitgenommen hat. Ich hab mich fast angemacht vor Angst, weil ich geglaubt habe, er fliegt mit mir nach Russland.


Hat deine Familie Einfluss auf deine Arbeit gehabt?


Auf jeden Fall positiv dahingehend, dass ich bestrebt war, ihr das Bestmögliche zu bieten, ihnen eine Zukunft zu bieten. Deshalb habe ich auch wie ein Blöder gehackelt und viel geschrieben.


Was sind deine Hobbys?


Ich spiele gern Tennis, allerdings mit sinkendem Erfolg, weil ich halt körperlich nicht mehr so fit bin, wie ich es gerne wäre. Da ist offenbar der Geist in besserer Verfassung als der Körper. Das ist mir aber lieber, als wenn ich verblöden würde und dafür gut Tennis spielen könnte. Was ich leider nicht mehr mache, ist zeichnen, das tut mir selbst leid. Ansonsten höre ich sehr gern Musik. Das ist im Grunde meine größte Leidenschaft.


Bis jetzt hast du ja auch eine sehr bewegte Karriere als Sportler hinter dir – als Skiläufer und Tennisspieler. Bedeutet Sport für dich einen Ausgleich zu deinem doch eher sitzend ausgeübten Beruf?


Nicht wirklich. Es war so: Ich habe einmal einen schweren Skiunfall gehabt. Seither fahre ich auch nicht mehr Alpin-Ski. Ich habe mich zwei Jahre nicht bewegen können und danach, wie alles überstanden war, einen extremen Bewegungsdrang bekommen. Ich habe daraufhin alles Mögliche gemacht – Turnverein, Tennisclub, Langlaufen und was es sonst noch gibt. Dann hab ich aber auch gesehen, dass der Körper nicht ganz so will, wie ich es gern hätte, und habe meine Aktivitäten wieder eingeschränkt. Ich weiß aber, wie nützlich Bewegung ist, und darum begleite ich auch meine Frau gern bei Spaziergängen – vorausgesetzt, sie dauern nicht zu lange. *lacht*


Im Tennisclub Brunn am Gebirge bist du, so sagt man, eine der herausragenden Persönlichkeiten. Du sollst sogar eigene Turniere organisiert haben.


Das stimmt. Ich kann ohne falsche Bescheidenheit sagen, dass ich herausragend bin. Allerdings nicht, weil ich so gut spiele, sondern weil es bei meinen Turnieren den meisten Spaß gibt.

Gibt es ein Lieblingsland, in das du gern reist oder das du gern einmal besuchen würdest?


Ich würde gern einmal Island besuchen. Ich habe über dieses Land sehr viel gelesen, als ich den „Dämonenkiller“ geschrieben habe, denn der hat teilweise dort gespielt (Anm. von Dennis: die Romane, von denen Ernst hier spricht, beginnen mit dem Hermes-Trismegistos-Zyklus und liegen noch weit in der Zukunft). Ich habe übrigens beim „Dämonenkiller“ auch viel über Irland geschrieben und das Land dann besucht. Es war genauso, wie ich es mir vorgestellt hatte. Ich möchte jetzt nicht sagen, dass ich es in den Romanen ebenso schön beschrieben habe, aber es war exakt so, wie ich es in meiner Vorstellung gesehen habe. Das war mein schönster Urlaub, und ich bin meiner Frau dankbar, dass sie mitgefahren ist, denn es war nicht ihre Art von Urlaub. Von Island werde ich allerdings die Finger lassen, denn ein Freund von mir war dort, und der hat einiges mitgemacht.


Bist du eigentlich ein religiöser Mensch?


Ja, obwohl ich aus der Kirche ausgetreten bin, aber Kirche ist für mich nicht unbedingt mit Religion gleichzusetzen. Letztens habe ich mit meinem Sohn darüber gesprochen, und der hat gesagt: „Du musst eigentlich ein Buddhist sein, so wie du über Seelenwanderung schreibst und die ganze Philosophie.“ Das stimmt auch irgendwo, die buddhistische Religion hat für mich einen hohen Stellwert. Jede Religion hat etwas, das ist unbestritten, aber keine ist umfassend. Ich meine, ein religiöser Mensch kann man auch sein, wenn man sich von überall das holt, was am besten in das eigene Leben passt. So gesehen bin ich absolut kein unreligiöser Mensch, kein Atheist.


Was würdest du durchsetzen, wenn du einen Tag lang Österreich regieren könntest?


Ich könnte Österreich nicht regieren! Das ist unregierbar!


Du hast im Leben sehr viel erreicht. Was bedeutet Glück für dich?


Glück ist für mich, dass es dir selbst und den Leuten, die dir nahe stehen, gut geht, und dass man nichts macht, wofür man sich schämen sollte. Das heißt, jeder macht manchmal etwas, wofür er sich schämt. Man sollte daher vielleicht sagen, dass man möglichst wenig von diesen Dingen tut.


Gibt es etwas, das du in deinem Leben noch erreichen willst, die Erfüllung eines Lebenstraumes gewissermaßen?


Eigentlich nicht. Ich habe im Grunde alles erreicht, ich möchte es genießen und noch mehr davon machen. Schreiben ist sehr wichtig für mich. Wenn es ein Ziel gibt, dann das, noch lange schreiben zu können und hoffentlich nicht zu schnell zu verblöden.


In einer weiteren Antwort, etwas aus dem Zusammenhang gerissen, äußert sich Ernst dann auch noch einmal zu seiner Arbeit an DORIAN HUNTER bzw. am „Dämonenkiller“, speziell zur Anfertigung von Handlungsexposés für die Serie:

Es gibt nichts Erfolgversprechenderes als eine chronologische Serie, die Exposé-gesteuert ist. Wenn man das nicht so macht, dann kann man es vergessen, das sieht man bei vielen anderen Serien. Es ist natürlich kostenintensiv, denn der, der die Exposés schreibt, will Geld dafür, der macht das nicht umsonst.


Diesen Grundsatz beherzigen wir übrigens bei DORIAN HUNTER bis heute. Auch für die neuen Romane der Buchausgaben werden immer noch vorab Handlungsexposés entwickelt und bezahlt, wie es sonst heutzutage eigentlich nur noch bei PERRY RHODAN üblich ist.

Die Fotos zeigen in chronologischer Reihenfolge Ernst Vlcek an seinem Schreibtisch, die Coverabbildung des Festbandes „Autor, Mensch, Terraner“, Ernst Vlcek beim Signieren während einer Autogrammstunde beim Austria Con II im Oktober 1999 sowie Ernst Vlcek und Kurt Luif alias Neal Davenport während des Wiener PERRY RHODAN-Stammtisches im April 1998.