Haarscharf daneben oder voll ins Schwarze

10. Juni 2014

Uwe Voehl hat einen Teilroman von Band 76 geschrieben und das zum Anlass genommen, zu erzählen, wie er beim Schreiben vorgeht. Ich finde seine Methode sehr interessant – ganz abgesehen davon, dass ich es immer mag, wenn jemand meine Arbeit lobt 😉 Aber lest selbst.

Die Überschrift zu diesem Artikel könnte vielleicht lauten: Wie Dorian und ich einen HUNTER-Roman schreiben. – Ja, und die Antwort wäre dann: intuitiv. Genau wie die DORIAN HUNTER-Hörspiele ja recht frei nach den jeweiligen Heften gestaltet sind, nehme ich das Exposé hauptsächlich als Gerüst. Ich liebe es natürlich, nach einem Expo zu schreiben. Es hat viele Vorteile: die Kontinuität ist gewahrt, es gibt keine Widersprüche oder unliebsame Überraschungen (für den Leser). Als Autor nimmt es die Angst vor dem berüchtigten weißen Blatt. Zu Beginn schaue ich einfach ins Expo und schreibe, was dort steht. Auch zwischendurch ist es ganz angenehm, immer wieder zum Expo zurückzufinden, damit ich mich nicht vergaloppiere. Alles in allem heißt das.

Ich benutze das Expo als Sprungbrett, aber auch als Fallschirm, um jederzeit wieder sicher zu landen, ansonsten lasse ich meiner Kreativität freien Lauf. Ich weiß, es gibt Autoren, auch im Team, die das Expo vorher genau studieren oder sich anhand des Expos schon die Kapitel einteilen. Davor habe ich Respekt, allein vor der Arbeit. Meine Art, an das Expo heranzugehen, ist eine andere: Ich lese immer nur so viel, wie ich auch an einem Tag schreibe. Ich möchte nicht mehr wissen als der Leser. Ich möchte mit dem Leser rätseln, mit ihm die Spannung teilen. Meine eigene Spannung verwandelt sich in Kreativität.

Im aktuellen DORIAN HUNTER heißt es im Expo zum Beispiel: „Dorian kehrt in die Jugendstilvilla zurück. Er steckt in einem Ersatzkörper, den Bastet für ihn geschaffen hat.“ Also lasse ich Dorian allein anklingeln. Es gibt diverse Irritationen etc. Nachdem ich fünf Seiten geschrieben habe, steht dann als zweiter Punkt folgendes im Exposé: „Mit Dorian kehrt auch Parker zurück, und Salamanda betritt zum ersten Mal die Jugendstilvilla.“ Mist, denke ich. Wie erkläre ich das denn jetzt? Die beiden anderen also draußen gewartet. Aber warum? Und schon entspinnt sich ein weiterer Handlungsverlauf …

Versteht ihr den Unterschied? Hätte ich das Exposé vorher gelesen, hätten alle drei zugleich die Villa betreten. Das wäre auch okay gewesen, aber möglicherweise auch ein bisschen uninteressanter, weil ich ja inzwischen eine eigene Handlung darum gesponnen habe. Ich gebe zu, das ist ein extremes Beispiel. Und damit ich nicht am Schluss zu viele Dinge ändern muss, schaue ich gerade gegen Ende immer öfter ins Expo. Und natürlich passiert es auch, dass ich nachträglich ganze Passagen streichen muss, weil es eben nicht passte.

Andrea Bottlingers Exposés sind nämlich sehr ausgefeilt. Es steckt jedes Mal sehr viel Mühe und Kenntnis darin. Insofern ist es mir genauso wichtig, nicht nur meine eigene Kreativität einzubringen, sondern möglichst alles, was im Expo steht, zu berücksichtigen. Daher folgt ganz zum Schluss noch einmal ein Abgleich. Ist die Expo-Autorin zufrieden, bin ich es auch. Dann weiß ich, dass der Roman auch bei den Lesern gut ankommen wird. Aber Vorsicht: Auf die Art zu schreiben bzw. ein Expo umzusetzen funktioniert auch bei mir nur, wenn ich die Serie sehr gut kenne und vor allem die Charaktere. Ich weiß bei DORIAN HUNTER, wie die Charaktere handeln, was sie denken, wie sie fühlen.

So, und jetzt stecke ich mir erstmal eine Players an und trinke dazu einen Bourbon! Wie nach jedem DORIAN HUNTER. Cheers!