Rüdiger Silber hat vor sieben Jahren schon einmal einen Roman für die Hexenchronik DAS HAUS ZAMIS verfasst. Für den Band 36 “Das höllische Kind”, das nächste Woche erscheint, schrieb Rüdiger Silber den Teilroman Der Folterkeller. Das Interview mit dem Autor führte Exposé-Autor Uwe Voehl.

Mit Der Folterkeller schreibst du nach sieben Jahren erst deinen zweiten Teilroman für die Serie. Wo hast du in den vergangenen sieben Jahren gesteckt?

Rüdiger Silber: Rüdiger Silber lag im Dornröschenschlaf. Währenddessen habe ich unter meinem richtigen Namen Malte S. Sembten zahlreiche Anthologiebeiträge und mehrere Bücher veröffentlicht. Zum Beispiel eine von Hardy Kettlitz herausgegebene und von Fabian Fröhlich illustrierte “Best-of”-Storysammlung mit den Titel “Maskenhandlungen” im Golkonda Verlag oder die Novelle “Der Behüter” für die E-Buch-Reihe Horror Factory bei Bastei Lübbe.

Hat die Coco von damals sich verändert? In der Serie ist Coco während dieser sieben Jahre ja nicht entsprechend gealtert, sondern sie ist jetzt kaum älter als damals.

Angenehm ist mir aufgefallen, dass Coco nicht mehr die Hände in die Hüften stemmt wie ein keifendes Waschweib, wenn sie lauthals herumzetert, wozu sie ja noch immer neigt.

Du hast dich im Vorfeld sehr in die Serie eingelesen. Was gefällt dir an der Serie?

Um mich mit der HAUS ZAMIS-Welt vertraut zu machen, habe ich den Anfang von Band 1 sowie die Bände 33, 34 und 35 gelesen. Dabei fielen mir die vielen kleinen, originellen Einfälle auf, die die Autorinnen und Autoren in die Geschichten einfließen lassen. Überraschend und einfallsreich fand ich etwa eine Szene in Band 35/1 von Catalina Corvo, wenn Michael Zamis das Etablissement vom Peitschen-Rudi aufsucht. Im Exposé stand wahrscheinlich nur, dass Michael sich auf eine der ausgefallenen Arten vergnügt, die das Dämonen-Bordell zu bieten hat. Das könnte den Autor anstiften, sich irgendeine sadistische Perversion aus den Fingern zu saugen, würdig einer Orgie am Hofe des Caligula. Aber Frau Corvo hat einen Spiegel erfunden, aus dem Michael seinen Doppelgänger hervorzieht, mit dem er dann zur Sache geht. Dieses non plus ultra der Autoerotik ist originell und ziemlich bizarr, ohne jedoch in Abartigkeiten zu schwelgen, und passt natürlich perfekt zu einem egozentrischen Narziss wie dem Oberhaupt der Zamis-Sippe.

So war es tatsächlich! Catalina hat mir im Nachhinein erzählt, wie sie überlegt hat, was einen Mann und Dämon wie Michael Zamis, der sich selbst als Nabel der Welt ansieht, überhaupt noch sexuell reizen könnte. Die Antwort: Natürlich Sex mit sich selbst! Catalina hatte sehr viel Spaß dabei, die Szene zu entwickeln. Jetzt aber mal generell gefragt: Du kommst neu daher, hast also einigen Abstand. Was würdest du anders machen?

Ich würde versuchen, den Frauen weniger zwanghaft auf die Oberweite zu schauen.

Einige Päpste deutschsprachiger Horror-Kritik halten dich für einen der besten Horror-Autoren. Musstest du dich bei deinem Teilroman für DAS HAUS ZAMIS bewusst einschränken? Oder ist es vielleicht auch mit einem gewissen Reiz verbunden, sich auf die Spielregeln einer Serie einzulassen?

Vor allem ist es höllisch schwierig, als Außenseiter und Nicht-Serien-Profi in eine Romanserie einzusteigen und nach Exposé einen Beitrag dafür zu schreiben. Mein erster DAS HAUS ZAMIS-Roman Die lauernde Bibliothek liegt lange zurück, außerdem hatte ich mir den Schauplatz damals selbst ausgesucht und auch die Handlung wurde von mir erdacht; nur die Grundidee mit der Bibliothek war vorgegeben. Der Roman spielt genau genommen außerhalb des HAUS ZAMIS-Universums. Auf meine Erfahrung im ersten Roman konnte ich für den neuen HAUS ZAMIS-Roman somit leider nicht zurückgreifen. Insofern wusste ich mit dem Expo zu Der Folterkeller zunächst überhaupt nichts anzufangen. Ich wusste nichts über die Figuren, ich wusste nichts über den Hintergrund der Serie. So hatte ich mich zuletzt als Schüler gefühlt, wenn ich für eine Klausur nicht gelernt hatte und nun vor dem weißen Bogen hockte und mich fragte, ob ich ihn mit obszönen Zeichnungen bekritzeln oder leer abgeben sollte.
Dass ich mich dann doch ans Werk machte, liegt am Ehrgeiz. Ich verwandte viel Zeit darauf, die direkten Vorgängerromane zu lesen, viele Stellen mehrmals, und löcherte dich, den Exposé-Autor, mit zahllosen Fragen …

Wie eng hast du dich ans Exposé gehalten? Kannst du eine spezielle Szene schildern, die du abseits des Exposés dazugedichtet hast?

Die Eingangssequenz auf Schloss Behemoth stand nicht im Exposé. Dafür habe ich einige Volkart-Epsioden im Kloster Shi nur erwähnt, aber nicht geschildert. Ich fand die Idee aus dem Expo inspirierend, die echte moderne Hexe Coco Zamis ihrer magischen Kräfte zu berauben und in der Vergangenheit vor ein Hexentribunal zu stellen – unter den Bedingungen, denen machtlose „falsche“ Hexen damals unterworfen waren. Zudem verleiht die Folterkeller-Sequenz dem Teilroman den Titel; auch das rechtfertigte, wie ich fand, eine ausführlichere Behandlung. Zum besseren Verständnis der Ereignisse im Folterkeller schien es mir angemessen, dem Leser ein paar „theoretische Grundlagen“ über den Ablauf eines mittelalterlichen Hexenverhörs nahe zu bringen. Diesen Theorie-Exkurs in die Folterszene selbst einzufügen, hätte deplatziert gewirkt und den Lesefluss unterbrochen. Also überlegte ich mir, dem Leser das nötige Wissen schon vorher zu vermitteln, indem ich es der kleinen Hexenschülerin Coco als Lektion aufgebe, angereichert um die Handlung einer ersten, kindlichen Verhör-Erfahrung – halb Böser-Buben-Streich, halb grausamer Ernst –, aus dem dann viele Jahre später für die erwachsene Coco voller Ernst wird.

Wird es wieder sieben Jahre dauern, bis du einen Roman für DAS HAUS ZAMIS schreibst?

Das hängt nicht allein von mir ab, sondern auch von den Lesern und vom Verlag.

Da habe ich keine Bedenken. Vielen Dank für das Interview!