Ich gebe es zu: Das neue HAUS ZAMIS-Buch, das Anfang Dezember erschienen ist, bietet wenig Weihnachtliches. Um nicht zu sagen: Gar nichts. Aber was soll man von einem Buch mit dem Titel „Bluternte“ anderes erwarten? Also: Wenn es bei euch Weihnachten an der Tür klopft, steht da vielleicht nicht der Weihnachtsmann, sondern Charles Axman mit seiner Crew. Und was es mit dem lieben Charles auf sich hat, lest ihr hier:

Ein höllischer Lärm schlug Toth entgegen. Dazu eine Luft, die nach Leder, Alkohol, Drogen,  Kadaver und Ausdünstungen roch, deren Ursprung Toth fremd war.

Der Saal war mit lederbekleideten Dämonen gefüllt, vielleicht zwei Dutzend an der Zahl, die allesamt Dark-Rider-Kutten trugen. Mehrere unbekleidete Frauen bemühten sich, die Aufmerksamkeit des einen oder anderen zu erregen. An einer Stange verrenkte sich eine rothaarige Schönheit. Toth sah, dass die Stange durch ihren Körper hindurchging wie ein Speer. Dennoch lebte sie und lächelte. In einem Käfig unter der Decke schrie eine andere Frau aus Leibeskräften, während irgendein stachel- und rüsselbewehrtes Rieseninsekt ihr das Blut aussaugte. Mehrere der Rocker-Dämonen lieferten sich eine Prügelei. Einer von ihnen lag bereits halb tot am Boden, dennoch fügte ihm einer seiner Gegner mit seiner zur Krallenklaue mutierten Hand weitere tiefe Wunden zu. Das alles wurde begleitet von einem hämmernden Soundtrack, der noch mehr als die draußen zu hörende Musik aus Wahnsinn und Chaos zusammengesetzt schien.

Über allem thronte – ja, Toth wusste tatsächlich keinen besseren Begriff – eine geradezu martialische Gestalt, deren Schädel so aussah, als wäre der Dämon in einen Fleischwolf geraten. Oder als hätte er sich mit der Axt, die an der Seite des Stuhls lehnte, selbst das Gesicht zerfurcht. Er trug eine blutige Schürze, so als käme er gerade erst aus einem Schlachthaus.

Vielleicht kam er das ja auch, dachte Toth, der erst in diesem Augenblick die kopflose Leiche erblickte, die halb unter dem Stuhl hervorragte. Der Stuhl erinnerte tatsächlich eher an einen Thron, entworfen von einem Künstler, der bei H.R. Giger in die Lehre gegangen war, um danach dem Wahnsinn zu verfallen und in diesem Wahn noch bizarrere Gebilde zu schaffen. Inmitten des aus Eisensträngen bestehenden Stuhls waren menschliche Körperteile, Organe und Adern verflochten, die teilweise noch pulsierten.

Toth war mittlerweile so nahe herangetreten – oder vielmehr herangetreten worden, denn sein Begleiter drängte ihn vor sich her –, dass er erkennen konnte, dass der geköpfte Leichnam mittels einer käfigähnlichen Vorrichtung unter dem Stuhl fixiert war. Dann entdeckte er auch den Kopf. Er lag etwas außer Sicht direkt neben dem Stuhl.

Axman fixierte Toth mit finsterem Blick, als wäre der als Nächster an der Reihe, die Schneide der Axt zu spüren zu bekommen.

„Den und seine Puppe haben wir aufgegriffen“, erklärte der Rocker. „Sagt, dass er dich sprechen will.“

„Dann sprich“, sagte Axman. „Du hast fünf Sekunden.“

Toth straffte sich und schrie gegen den Lärm an. „Sind Sie Charles Axman?“

„Siehst du hier sonst noch jemanden, auf den der Name zutreffen könnte?“

„Ich habe Ihnen ein Geschäft vorzuschlagen. Ein sehr lukratives Geschäft.“

„Und wer bist du?“

Toth atmete tief durch. Seine Brust schwellte sich. „Gestatten: Hieronymus Toth.“

„Tod wer?“

„Der Schiedsrichter der Schwarzen Familie.“

Toth hatte zumindest mit einem gewissen Respekt gerechnet, nicht aber damit, dass nicht nur Axman, sondern auch die ihn umgebenden Rocker in Gelächter ausbrachen.

Erst nach einer Minute hob Axman gebieterisch die Hand, und schlagartig herrschte Stille im Saal. Selbst die Musik brach unvermittelt ab.

„Hey, Jungs. Der Schiedsrichter der Schwarzen Familie erweist uns die Ehre seines Besuches!“

Wieder brandete Gelächter auf, und wieder beendete Axman es mit einer einzigen Handbewegung. Er beugte sich ein wenig vor und sah jetzt direkt auf Toth hinab: „Ich will dir was sagen, Tod sowieso: Der Schiedsrichter interessiert mich einen Furz. Asmodi ebenso. Wir sind hier unsere eigenen Herren. Erzähl das deinem Meister, wenn du ihn siehst!“

Das werde ich, mein Freund, das werde ich, schwor sich Toth. Es würde den Fürsten der Finsternis sicherlich interessieren, dass es in dieser Einöde eine Enklave Abtrünniger gab. Und Toth würde ihm gut zureden, ein Exempel zu statuieren. Doch zunächst brauchte er Axman noch, und daher musst er ihn erst einmal für sich gewinnen.

„Auch ich bin, ehrlich gesagt, kein Freund von Hierarchien“, erklärte er. „Und Asmodis Freund ganz sicherlich nicht. Ich habe gehört, dass Sie einem lukrativen Geschäft immer aufgeschlossen sind. Und das Geschäft, das ich Ihnen unterbreiten möchte, ist äußerstlukrativ.“

„Die fünf Sekunden sind um, und bisher hast du mich nur gelangweilt.“ Axman gähnte demonstrativ und ließ zwei Reihen spitz zugefeilter Zähne sehen. Toth konnte sich gut vorstellen, dass er damit seinen Gegnern schon des Öfteren die Kehle durchgebissen hatte.

„Also schön, ich äh …“ Toth spürte, wie ihm der Schweiß ausbrach. Die finsteren Gestalten um ihn herum schienen nur darauf zu warten, auf ein weiteres Handzeichen ihres Chefs hin über ihn herzufallen. Vielleicht würde auch Axman selbst sich das Vergnügen nicht nehmen lassen. Das Blut auf der Schneide seines Beils war noch nicht getrocknet.

Ein greller Schrei ließ Toth herumfahren. Die beiden anderen Rocker hatten Natalie hereingeführt. Was sie zuvor mit ihr angestellt hatten, konnte er nur ahnen, jedenfalls war seine Angestellte nun nackt. Aus ihrer Nase sickerte Blut.

„Ich, äh, habe Ihnen das blonde Ding hier als kleines Präsent mitgebracht“, sagte Toth rasch. Mit derartigen Goodwill-Aktionen war er bisher immer gut gefahren.

Und auch in diesem Fall. Axmans Miene hellte sich auf. „Also gut, was hast du mir konkret anzubieten?“

Toth wusste, dass dies seine einzige Chance war. Und er hatte nicht viel Zeit, das ahnte er. Also spulte er so schnell es ihm möglich war die Details ab – diesmal ganz ohne seine weitschweifigen Erklärungen und Bemerkungen, für die er inzwischen berüchtigt war.

Zum Schluss lehnte sich Axman zurück. Soweit Toth das von dessen zerwüstetem Gesicht ablesen konnte, dachte er nach. Hoffentlich, dachte Toth, über sein Angebot und nicht darüber, was er mit ihm anzustellen gedachte.

„Weißt du, wie man mich nennt?“, fragte Axman zu seiner Überraschung.

Toth nickte. Natürlich hatte er sich kurz vor seinem Flug ausgiebig über Axman in der Demonpedia,der Informations-Wiki der Schwarzen Familie,  informiert. Es gab so gut wie keine Schandtat, derer er sich nicht rühmte. Mehr noch hatte er im Deep Net gefunden. Auf der Internetplattform Debay gab es so gut wie alles zu kaufen oder zu ersteigern, was das Schwarze Herz begehrte. Von Menschenteilen bis zum Haushüter. Und auch Axman war dort überaus aktiv.

„Man nennt mich den Butcher, den Metzger. Dir ist schon klar, dass ich diese Coco Zamis nicht lebendig abliefere, oder?“

„Nun ja, wenn es nicht zu vermeiden ist … Natürlich würde mein Auftraggeber sie lieber lebendig in die Finger bekommen, um sie möglichst lange leiden zu lassen.“

„Das kann ich verstehen, wer hat nicht verdammten Spaß daran? Natürlich werde auch ich sie nicht sofort töten. Insofern kann ich versprechen, im Sinne deines Auftraggebers zu handeln. Und nun zu den Details …“

Ich hoffe, ihr habt genügend Blut geleckt, um Charles näher kennenzulernen. Hier ist auf alle Fälle noch mal der Link zum Buch „Bluternte“!

Schwarze Grüße
Uwe