Etwas später als gewohnt, dafür melde ich mich aber heute bei euch mit einer exklusiven Leseprobe des neuen HAUS-ZAMIS-Buches „Und ewig währt die Nacht“. Falls ihr die Reihe abonniert habt, habt ihr bestimmt schon reingelesen. Alle anderen können sich jetzt den Appetit holen. Viel Vergnügen!

»Und jetzt du!«, sagte Onkel Franz, der Schweinedämon, und drückte mir das blutige Schlachtermesser in die Hand, mit dem er zuvor den Freak getötet und fein säuberlich zerlegt hatte.

Ich war keineswegs zartbesaitet. Dazu hatte ich viel zu viel Leiden, Grausamkeit und Tod gesehen und erlebt. Unter den Menschen und Dämonen. Und ich hatte selbst getötet, aber nur, wenn ich selbst angegriffen worden war und mein Leben auf dem Spiel gestanden hatte. Oder wenn ich etwas aus tiefstem Herzen gewünscht hatte. Das Wünschen war mein Fluch. Ich besaß die Gabe, meine Wünsche Wirklichkeit werden zu lassen. Ich hatte stets nur Gutes damit bewirken wollen. Doch zugleich hatte ich damit stets Tod und Verderben ausgelöst.
Fassungslos sah ich Onkel Franz nun an. »Ich – soll …«
»Jetzt nimm es schon, das Messer, du dumme Pute!«, schimpfte Onkel Franz. »Bist du nun eine Dämonin oder nicht?«
Ja, ich war eine Dämonin, wenngleich ich nicht zur Schwarzen Familie gehörte. Und ich war nicht freiwillig in Graustedt und dieser Schlachtfabrik gelandet. Thekla Zamis, von der ich mir Hilfe erhofft hatte, hatte mich nach Graustedt verfrachtet und mich Alfred Rosenkranz »anvertraut«. Der wiederum hatte mich mit Franz bekannt gemacht, den ich Onkel zu nennen hatte. Ich war erst einen Tag hier, aber Graustedt erschien mir jetzt schon wie die Hölle. Dagegen war Wien das Paradies – wenn auch bisher nicht für mich.
»Nimm es!«, wiederholte Onkel Franz drohend, als ich noch immer wie erstarrt vor ihm stand. Ich spürte, wie seine Gedanken nach mir griffen, wie er mich mit roher mentaler Kraft zwingen wollte, ihm zu gehorchen.
In diesem Moment betrat Schlachter Erwin erneut den gekachelten Raum, dessen Boden und Wände rotgetüncht vor Blut waren. Unter dem Arm trug er einen weiteren zappelnden Freak. Der arme Kerl war höchstens einen Meter groß und besaß einen mit Eiterbeulen übersäten Wasserkopf.
Wie zuvor das erste Opfer spannte der Schlachter den Freak in eins der Gestelle, die an den Wänden befestigt waren, und versetzte ihm einen harten Schlag gegen den Schädel. Der Freak kreischte auf, war aber noch bei Bewusstsein. Und das sollte er auch bleiben …
»Mach mir ja nicht schlapp«, sagte der Schlachter, »Schließlich sollst du deine Schlachtung genießen.« Er lachte grausam, wobei sich seine menschliche gallertartige Hülle fast völlig auflöste und darunter die Schweinegestalt wabbelte.
Jetzt erst schien er mich wahrzunehmen. Seine Schweinsäuglein funkelten gierig, als er sagte: »Ah, was haben wir denn da für ein zartes Täubchen?«
»Das Täubchen ist widerspenstig«, sagte nun Onkel Franz. »Es will partout nicht lernen.« Mit dem Messer wies er nun auf seinen Kollegen: »Das ist Erwin. Erwin ist mit Neulingen nicht so nachsichtig wie ich. Willst du, dass ich dich in seine Obhut gebe?«
Erwin grinste nun breit mit seiner Schweineschnauze, und seine Pranke fuhr an sein Gemächt.
»Nein …«, stammelte ich. »Ich – ich will es versuchen …«
»Versuchen will sie es, hört, hört!«, höhnte Onkel Franz und hielt mir erneut das Schlachtermesser hin. Diesmal nahm ich es an mich. Den beiden grausamen Schweinedämonen hatte ich nichts entgegenzusetzen. Aber wenn ich schon töten musste, so wollte ich dem Freak zumindest einen schnellen und, so hoffte ich, weitgehend schmerzlosen Tod bescheren. Der Freak, den Onkel Franz zuerst geschlachtet hatte, hatte lange leiden müssen … Noch immer gellten mir seine Schreie in den Ohren.
»Ich hoffe, du hast dir gemerkt, wo ich vorhin das Messer angesetzt habe«, hörte ich Onkel Franz’ Stimme wie aus weiter Ferne. »Nur dann, wenn sie vor ihrem Tod reichlich Schmerz empfinden, schmeckt ihr Fleisch besonders gut.«
Wieder einmal wurde mir bewusst, wie abartig veranlagt meine Rasse war. Sie wollten die Angst der Geschlachteten auch noch schmecken.
Ich umklammerte den Griff des Messers fester. Die Klinge war noch mit dem Blut des ersten Freaks verschmiert. Und sie war nicht besonders scharf. Sie schien eher stumpf zu sein. Auch das war sicherlich Absicht, damit das Schlachtopfer noch länger zu leiden hatte.
Der Freak sah mir mit vor Angst weit aufgerissenen Augen entgegen. Es waren diese Augen, die mich in ihren Bann zogen. Er mochte ein Freak sein, ein Ausgestoßener aus der Schwarzen Familie, aber er war trotz allem ein Lebewesen. Hinter mir hörte ich Onkel Franz und Erwin hämisch feixen. Entweder, weil sie sich an seiner Angst weideten, oder weil ich in ihren Augen derart zartbesaitet war.
»Nun setz den ersten Schnitt schon an!«, drängte Erwin, »wir haben heute Morgen noch einige weitere Schlachtungen vorzunehmen!«
Und wieder sah ich in die Augen des Freaks, versank nahezu darin und spürte seine Todesangst plötzlich am eigenen Leibe. Ich merkte, wie ich zitterte, so sehr, dass das Messer meinen Fingern entglitt und klirrend zu Boden fiel.
Zugleich mit der Angst, die von dem Freak auf mich übergesprungen war, fühlte ich Wut und Hass auf die beiden Schlächter. Ihre Grausamkeit widerte mich an.
»Nun heb das Messer schon wieder auf, du erbärmliche Trampelsau!«, schrie Onkel Franz. »Gleich mach ich dir Beine!«
Ich will, dass du stirbst!
Kaum hatte ich den Wunsch gedacht, bereute ich ihn. Und rasch korrigierte ich mich:
Nein, ich will nicht, dass überhaupt jemand stirbt!
Aber es war zu spät, den ersten Wunsch zu korrigieren. Außerdem war er so stark, dass ich das Bild des sterbenden Onkel Franz’ direkt vor mir sah. Ja, ich wünschte nach wie vor mit ganzem Herzen seinen Tod! Und möglichst qualvoll sollte er sein! So, wie er zuvor den Freak gequält und getötet hatte!
»Jetzt werd ich dir mal am eigenen Leib zeigen, wie sich so ein Messer im Fleisch anfühlt!«, schrie Onkel Franz. Seine Wut hatte sich zur Raserei gesteigert. Er würde mich wohl kaum umbringen, aber sicherlich Schmerzen zufügen. Ich sah den Geifer aus seiner Schweineschnauze tropfen.
»Ja, zeig’s der kleinen Anfängerin, wie sie zu parieren hat!«, stachelte Erwin ihn an.
»Und ob, verlass dich drauf!« Onkel Franz bückte sich nach dem Messer und ergriff es. Aber da geschah es: In dem Moment, wo er sich wieder aufrichtete, rutschte er auf dem glitschigen Boden aus. Er versuchte sich noch zu fangen, fiel aber aufgrund der Schwerkraft nach vorn. Warum er nicht das Messer fallen ließ, weiß ich nicht. Jedenfalls fiel er so unglücklich, dass die Messerspitze direkt durch die Gallertschicht in seinen Schweinekörper fuhr und sich darin bis zum Heft versenkte. Mitten in sein schwarzes Herz.
Zwei, drei Sekunden lang blieb er reglos liegen. Dann ging ein Zittern durch seinen massigen Körper. Mühsam hievte er sich hoch, bis er auf allen vieren vor mir stand. Seine menschliche Hülle hatte er abgelegt. Der Schweinedämon zeigte sich mir nun ungeniert in seiner wahren Gestalt. Mit roten Augen starrte er mich hasserfüllt an: »Das wirst du büßen!«
Mit sichtlicher Anstrengung zog er sich das Messer aus dem Fleisch. Ich wich einen Schritt zurück und befürchtete, dass er mich angriff. Aber er warf das Messer nur auf den Boden.
»Willst du es ihr nicht besorgen?«, fragte Erwin fassungslos. »Es ist ihre Schuld, dass du …«
»Halt die Schnauze!«, brüllte Onkel Franz, und Erwin schwieg tatsächlich eingeschüchtert.
Onkel Franz aber blieb auf dem Boden hocken, den Blick auf mich gerichtet. Und darin las ich nur eins: Rache! Rache für diese Demütigung!

Habt ihr Appetit bekommen? Dann könnt ihr entweder direkt in eurem Buch oder e-book weiterlesen oder es gleich hier bestellen! Ich wünsche euch im Namen aller ZAUBERMOND-Mitstreiter einen behaglichen 2. Advent!

Keep the Horror burning!
Uwe