Bitte nicht mit Marvin Cohen auf dem Sofa!

23. Juni 2015

In den letzten Wochen hat er sich viel mit Horden von Untoten, Enthauptungen und wuchernden Gehirnsträngen beschäftigt – und ist dabei doch ganz normal geblieben. So normal jedenfalls, wie man als Teil der Dämonenkiller-Crew eben sein kann … Alexander Rieß sorgt als Sounddesigner dafür, dass bei Dorian Hunter alles so klingt, wie es klingt. Was das genau bedeutet? Lest selbst!

Viele Hörspielbegeisterte interessiert sicherlich sehr, wie man überhaupt »Sounddesigner« werden kann. Kannst du deinen Weg in wenigen Worten zusammenfassen? Welche Stationen klappert man da so ab?

In wenigen Worten? Also gut, hier mein »tontechnischer« Lebenslauf: Kleiner Junge nimmt selbstgestaltete Radiosendungen mit Kassettenrekorder auf (alle Rollen sind selbstverständlich selbst gesprochen!). Tägliches Hörspiel Hören als Kind und Jugendlicher, gepaart mit einem Faible für HiFi-Geräte. Ausbildung zum Radio- und Fernsehtechniker. Praktika in diversen Tonstudios mit letztendlicher Festanstellung im CSC Studio, Hamburg. Da war es dann schon klar, dass ich den Hörspiel- und Hörbuch-Bereich übernehmen würde.

Hattest du zu DORIAN HUNTER denn schon einen Bezug, bevor du mit Folge 25 ins Team eingestiegen bist?

Ich muss erst mal klarstellen, dass ich nicht erst mit Folge 25 in das Team eingestiegen bin. Wenn man es ganz genau nimmt, müsste man wohl sagen, dass ich sogar das erste Teammitglied war, das von Dennis Ehrhardt rekrutiert wurde. Eine Fügung, die wir übrigens Douglas Welbat zu verdanken haben, der nach einem Anruf von Dennis sagte, er solle mal zu Alex vom CSC Studio gehen, der interessiere sich auch für Hörspiele. Ich mache also bereits seit Folge 1 sämtliche Aufnahmen für Dorian Hunter, die in Hamburg stattfinden. Seit Folge 25 bin ich für die komplette Audioproduktion verantwortlich.
Als Dennis zum Gespräch ins Studio kam, war mir der Dämonenkiller natürlich kein Unbekannter. Als Jugendlicher habe ich die Romane schon in diversen Dänemark-Urlauben und an verregneten Ferientagen gelesen (zusammen mit »Larry Brent«, »Macabros« und einem gewissen »Sohn des Lichts«). Als dann die Hörspiele von Europa rauskamen, habe ich die natürlich rauf und runter gehört.

Was ist für dich das Besondere an den aktuellen Hörspielen?

Das Besondere an den neuen Dorian Hunter-Hörspielen von Zaubermond ist für mich die Komplexität und die Liebe zum Detail. Man erwartet vom Hörer mehr als einfaches »Nebenbeihören«. Einige Szenen werden erst zu einem späteren Zeitpunkt der Folge klar oder verständlich, es gibt durch Dorians vergangene Leben parallele Handlungsstränge usw. Das gefällt mir, denn ich finde, für ein Hörspiel sollte man sich Zeit und Ruhe nehmen, um in die Geschichte einzutauchen. Nebenbei abwaschen oder Auto fahren funktioniert für mich nicht. Ich denke, wer Dorian Hunter nur nebenbei hört, dem entgehen viele Feinheiten, und der Spaß an der Serie wird schwinden. Außerdem möchte ich ganz besonders noch die Musik von Andreas Meyer hervorheben. Er hat der Serie von Anfang an seinen Stempel aufgedrückt.

Der Mbret in der aktuellen Folge 28 ist ein Wesen, das sich den Definitionen von typischen Horrorgeschichten entzieht. Er ist weder Vampir, noch Werwolf und auch kein Ghoul oder Zombie. Warum klingt er im fertigen Hörspiel jetzt so, wie er eben klingt?

Ja, der Mbret ist wirklich speziell! Ich habe deshalb auch sehr lange überlegt, wie der wohl klingen könnte.
Beim Lesen des Skriptes musste ich irgendwie an eine Art Bienenkönigin oder Ameisenkönigin denken, die in ihrem Nest hockt und die Arbeit vom Gefolge erledigen lässt. Das Gefolge besteht hier allerdings aus Untoten.
Da kam ich auf die Idee, den Mbret insek-tenartig klingen zu lassen. Schnarrend, fremdartig und irgendwie unangenehm. Schließlich sagt Sara in der Folge auch: »Seine Stimme drang in die Köpfe der Menschen … wie Gift.«

Welche Hörspiele – oder auch Filme – haben dich denn selbst geprägt? Gibt es Vorbilder, die, vielleicht sogar unbewusst, einen Einfluss auf deine eigene Arbeit als Sounddesigner haben?

Ich bin natürlich von den alten Europa-Horror-Hörspielen geprägt. Vor allem »Larry Brent« und »Macabros«. Einfluß auf meine Tätigkeit als Sounddesigner haben die allerdings nicht. Aus heutiger Sicht klingen die Hörspiele aus den Achtzigern doch etwas angestaubt und nicht mehr ganz zeitgemäß. Sie haben eher dafür gesorgt, dass ich dem Horror/Grusel-Genre nicht abgeneigt bin.

Welches ist deine bisherige DORIAN HUNTER-Lieblingsszene, die du selbst vertont hast – und warum?

Hm, schwierig. Eine wirkliche Lieblingsszene gibt es nicht. Ich habe einfach Spaß daran, die Geschichten akustisch zum Leben zu erwecken und Bilder im Kopf zu erzeugen. Das können spannende, ruhige, witzige oder grausame Szenen sein. Ganz egal. Wenn sich dann am Ende alles gut zusammenfügt, bin ich glücklich.

Wenn du es dir aussuchen dürftest: Wohin würdest du Dorian gerne mal schicken, weil du so viel Lust dazu hättest, die Umgebung akustisch zu gestalten?

Ich würde Dorian gar nicht an einen bestimmten Ort schicken wollen. Vielmehr hätte ich Lust, ein Dorian Hunter-Hörspiel in Dolby Surround oder sogar Dolby Atmos zu mischen – die Effekte also auch hinter, neben und sogar über dem Hörer zu platzieren wäre für mich eine interessante Herausforderung und ein weiteres Gestaltungsmittel. Ich denke, das wäre ein echter Mehrwert für jede Umgebung in der Dorian und sein Team sich gerade befinden.

Letzte Frage: Frank Gustavus – der Sprecher von Marvin Cohen – ist ziemlich regelmäßig für Aufnahmen bei euch im Studio. Hat der nicht immer lebensfrohe Charakter seiner Figur auf ihn abgefärbt, oder macht die Arbeit mit ihm noch Spaß?

(lacht) Es macht sogar sehr viel Spaß, mit Frank zu arbeiten! Die Rolle hat in keinster Weise auf ihn abgefärbt. Ich denke, er kann es sich auch gar nicht leisten, Cohens Umgangston anzunehmen. Das würde ihn sicher bald seinen Job als Regisseur und Sprecher kosten. Da wir auch privat befreundet sind, bin ich darüber natürlich doppelt froh! Ich hätte – ehrlich gesagt – keine Lust, jemanden wie Marvin Cohen auf meinem Sofa übernachten zu lassen.

Ich denke, das können wir wohl alle nachvollziehen. Vielen Dank für deine Zeit und die interessanten Antworten!

Immer gerne! Jetzt muss ich allerdings auch dringend an Folge 29 weiterarbeiten … Coco, Wien und der »Hexensabbat« warten bereits!