Jede Hexe, die etwas auf sich hält, vertraut ihre magischen Geheimnisse einem schwarzen Buch an, dem Grimoire. Im nächsten DAS HAUS ZAMIS wird es um eines dieser sagenhaften Bücher gehen. Und natürlich besitzt auch Coco Zamis ihr persönliches Grimoire. Um Zauberbücher geht es auch in unserem heutigen Beitrag. Dazu befragten wir mit Dr. Michael Siefener einen anerkannten Experten.

Uwe Voehl: Herr Dr. Siefener, Sie sind nicht nur einer der überragenden Autoren phantastischer Literatur, sondern befassen sich seit Jahrzehnten mit der Hexerei und haben Ihre Dissertation über „Hexerei im Spiegel der Rechtstheorie (Das criman magiae in der Literatur von 1574 bis 1608)“ verfasst. Im Moment arbeiten Sie an einem Fachbuch über Zauberbücher und haben sicherlich einen ganz guten Überblick. Welches ist in Ihren Augen das geheimnisvollste?

Dr. Michael Siefener: Die geheimnisvollsten sind diejenigen, die nie jemand zu Gesicht bekommen hat, z. B. das „Red Book of Appin“, von dem Montague Summers schreibt. Es habe der inzwischen erloschenen schottischen Familie der Stewards of Invernahayle gehört, sei dem Teufel gestohlen worden und so gefährlich gewesen, dass ausschließlich der rechtmäßige Eigentümer es lesen durfte, und zwar nur mit einem – wohl die magischen Einflüsse ableitenden – Eisenband um die Stirn. Dabei handelte es sich um ein Manuskript. Überhaupt haben sich sehr viele Zauberbücher nur in Manuskriptform erhalten. Von den tatsächlich existierenden ist vermutlich das „Grimoire du Pape Honorius“ eines der geheimnisvollsten und erschreckendsten. Es wurde erstmals gegen Ende des 18. Jahrhunderts gedruckt, und alte Ausgaben sind heute seltener als ein Hühnerzahn. Es ist eines der wenigen Grimoires, die offen schwarzmagisch sind und Anweisungen zum Beschwören des Teufels bzw. der Dämonen mitteilen.

Wie beurteilen Sie den tatsächlichen Nutzen eines Grimoires? Der Teufel wird nie jemandem erschienen sein? Oder doch?

Der Nutzen ist … nun ja, zumindest fraglich. Inzwischen existiert allerdings eine große neumagische Szene, die nach den alten Beschwörungsbüchern zaubert und sowohl in Blogs als auch im Druck mitteilt, es habe tatsächlich dämonische Manifestationen aufgrund der durchgeführten Riten gegeben. Gerade die alten Texte wie das Grimoire des Papstes Honorius werden immer wieder neu aufgelegt, und es werden von dieser Szene, zu der auch sehr gebildete Personen gehören, beachtliche, nach wissenschaftlichen Prinzipien edierte Ausgaben von magischen Handschriften veröffentlicht. Ich vermute, dass sich der Teufel heute weitaus öfter zeigt, als es damals der Fall gewesen ist. Wenn ich mich recht erinnere, hat auch Aleister Crowley einmal sehr unangenehme Erfahrungen mit diabolischen Manifestationen gehabt, als er Beschwörungen nach dem „Buch der wahren Praktik in der göttlichen Magie“ des (Pseudo-) Abraham von Worms durchführte. Dieses wohl aus dem 17. Jahrhundert stammende, zunächst nur als Handschrift verbreitete und erst in der Mitte des 19. Jahrhunderts erstmals von dem Stuttgarter Verleger und Antiquar Johann Scheible gedruckte Werk wurde Ende des 19. Jahrhunderts ins Englische übersetzt – nicht aus der deutschen Ausgabe, sondern aus einigen Handschriften – und wurde deshalb gerade in England sehr populär.

Könnten Sie uns noch einen Gesundheit,- Glücks-  oder Erfolgszauber für dieses Jahr mit auf den Weg geben, den jedermann umsetzen kann?

Es gibt grundsätzlich zwei Arten von Zauberbüchern: zum einen die oben erwähnten ritualmagischen, bei denen es um Beschwörungen von jenseitigen Wesenheiten geht, und zum anderen die Bücher der sogenannten sympathetischen Magie, bei denen es sich um Abwehrzauber oder magische Handlungen zum Erreichen verschiedener Zwecke geht, ohne dass dabei ausdrücklich ein Dämon oder gar der Teufel angerufen wird. Solche Bücher sind z. B. die 6./.7. Bücher Mosis in den Ausgaben des frühen 20. Jahrhunderts (nicht die des mittleren 19. Jahrhunderts!) oder auch die diesseits und jenseits des Atlantiks berühmten „Egyptischen Geheimnisse“ des (Pseudo-) Albertus Magnus, einem Buch, dessen früheste Druckversion sich auf das Jahr 1818 festlegen lässt, zumindest was den ersten Teil angeht. Daraus seien als kleines Schmankerl die folgenden beiden Rezepte mitgeteilt:

– Gegen Epilepsie:  „Vor die fallende Sucht. Nimm von der Nachgeburt einer Frau, und von eines Menschen Todtenbein auf dem Kirchhof, dieses verpulvere, davon gieb dem Patienten 3 Messerspitz voll ein; so einer fällt, muß man ihn liegen lassen und weiter nicht anrühren.“

– Zum Öffnen von Schlössern: „Töte einen Laubfrosch, lege ihn drei Tage in die Sonne, mache ein Pulver daraus, wenn du ein wenig in ein Schloß thust, so geht es selber auf.“

– Und noch einen Liebeszauber, aus dem „Petit Albert“, einem französischen Zauberbuch aus dem Beginn des 19. Jahrhunderts, auf Französisch, der Sprache der Liebe: „Tirez de vôtre sang un Vendredy du Printemps, mettez le secher au four dans un petit pot comme est dit cy-dessus, avec les deux coüillons d’un Liévre & le foye d’une Colombe reduissez le tout en poudre fine & en faites avaller à la personne sur qui vouz aurez quelque dessein, environ la quantité d’une demie dragme, & si l’effet ne suit pas al la premiere fois ; reiterez jusqu’a trois fois & vous serez aimé.“

Letzterer könnte auch aus dem Grimoire von Coco Zamis stammen. Aber über Grimoires und um falsche und echte Zauber demnächst mehr. Vielen Dank, Herr Doktor Siefener!

Ich wünsche euch ein magisches 2016!
Keep the Horror burning!