Hexen ist (k)eine Kunst: Aus dem Grimoire der Coco Zamis

von am 8. Januar 2016

Jede Hexe, die etwas auf sich hält, vertraut ihre magischen Geheimnisse einem schwarzen Buch an, dem Grimoire. Im nächsten DAS HAUS ZAMIS wird es um eines dieser sagenhaften Bücher gehen. Und natürlich besitzt auch Coco Zamis ihr persönliches Grimoire. Um Zauberbücher geht es auch in unserem heutigen Beitrag. Dazu befragten wir mit Dr. Michael Siefener einen anerkannten Experten.

Uwe Voehl: Herr Dr. Siefener, Sie sind nicht nur einer der überragenden Autoren phantastischer Literatur, sondern befassen sich seit Jahrzehnten mit der Hexerei und haben Ihre Dissertation über „Hexerei im Spiegel der Rechtstheorie (Das criman magiae in der Literatur von 1574 bis 1608)“ verfasst. Im Moment arbeiten Sie an einem Fachbuch über Zauberbücher und haben sicherlich einen ganz guten Überblick. Welches ist in Ihren Augen das geheimnisvollste?

Dr. Michael Siefener: Die geheimnisvollsten sind diejenigen, die nie jemand zu Gesicht bekommen hat, z. B. das „Red Book of Appin“, von dem Montague Summers schreibt. Es habe der inzwischen erloschenen schottischen Familie der Stewards of Invernahayle gehört, sei dem Teufel gestohlen worden und so gefährlich gewesen, dass ausschließlich der rechtmäßige Eigentümer es lesen durfte, und zwar nur mit einem – wohl die magischen Einflüsse ableitenden – Eisenband um die Stirn. Dabei handelte es sich um ein Manuskript. Überhaupt haben sich sehr viele Zauberbücher nur in Manuskriptform erhalten. Von den tatsächlich existierenden ist vermutlich das „Grimoire du Pape Honorius“ eines der geheimnisvollsten und erschreckendsten. Es wurde erstmals gegen Ende des 18. Jahrhunderts gedruckt, und alte Ausgaben sind heute seltener als ein Hühnerzahn. Es ist eines der wenigen Grimoires, die offen schwarzmagisch sind und Anweisungen zum Beschwören des Teufels bzw. der Dämonen mitteilen.

Wie beurteilen Sie den tatsächlichen Nutzen eines Grimoires? Der Teufel wird nie jemandem erschienen sein? Oder doch?

Der Nutzen ist … nun ja, zumindest fraglich. Inzwischen existiert allerdings eine große neumagische Szene, die nach den alten Beschwörungsbüchern zaubert und sowohl in Blogs als auch im Druck mitteilt, es habe tatsächlich dämonische Manifestationen aufgrund der durchgeführten Riten gegeben. Gerade die alten Texte wie das Grimoire des Papstes Honorius werden immer wieder neu aufgelegt, und es werden von dieser Szene, zu der auch sehr gebildete Personen gehören, beachtliche, nach wissenschaftlichen Prinzipien edierte Ausgaben von magischen Handschriften veröffentlicht. Ich vermute, dass sich der Teufel heute weitaus öfter zeigt, als es damals der Fall gewesen ist. Wenn ich mich recht erinnere, hat auch Aleister Crowley einmal sehr unangenehme Erfahrungen mit diabolischen Manifestationen gehabt, als er Beschwörungen nach dem „Buch der wahren Praktik in der göttlichen Magie“ des (Pseudo-) Abraham von Worms durchführte. Dieses wohl aus dem 17. Jahrhundert stammende, zunächst nur als Handschrift verbreitete und erst in der Mitte des 19. Jahrhunderts erstmals von dem Stuttgarter Verleger und Antiquar Johann Scheible gedruckte Werk wurde Ende des 19. Jahrhunderts ins Englische übersetzt – nicht aus der deutschen Ausgabe, sondern aus einigen Handschriften – und wurde deshalb gerade in England sehr populär.

Könnten Sie uns noch einen Gesundheit,- Glücks-  oder Erfolgszauber für dieses Jahr mit auf den Weg geben, den jedermann umsetzen kann?

Es gibt grundsätzlich zwei Arten von Zauberbüchern: zum einen die oben erwähnten ritualmagischen, bei denen es um Beschwörungen von jenseitigen Wesenheiten geht, und zum anderen die Bücher der sogenannten sympathetischen Magie, bei denen es sich um Abwehrzauber oder magische Handlungen zum Erreichen verschiedener Zwecke geht, ohne dass dabei ausdrücklich ein Dämon oder gar der Teufel angerufen wird. Solche Bücher sind z. B. die 6./.7. Bücher Mosis in den Ausgaben des frühen 20. Jahrhunderts (nicht die des mittleren 19. Jahrhunderts!) oder auch die diesseits und jenseits des Atlantiks berühmten „Egyptischen Geheimnisse“ des (Pseudo-) Albertus Magnus, einem Buch, dessen früheste Druckversion sich auf das Jahr 1818 festlegen lässt, zumindest was den ersten Teil angeht. Daraus seien als kleines Schmankerl die folgenden beiden Rezepte mitgeteilt:

– Gegen Epilepsie:  „Vor die fallende Sucht. Nimm von der Nachgeburt einer Frau, und von eines Menschen Todtenbein auf dem Kirchhof, dieses verpulvere, davon gieb dem Patienten 3 Messerspitz voll ein; so einer fällt, muß man ihn liegen lassen und weiter nicht anrühren.“

– Zum Öffnen von Schlössern: „Töte einen Laubfrosch, lege ihn drei Tage in die Sonne, mache ein Pulver daraus, wenn du ein wenig in ein Schloß thust, so geht es selber auf.“

– Und noch einen Liebeszauber, aus dem „Petit Albert“, einem französischen Zauberbuch aus dem Beginn des 19. Jahrhunderts, auf Französisch, der Sprache der Liebe: „Tirez de vôtre sang un Vendredy du Printemps, mettez le secher au four dans un petit pot comme est dit cy-dessus, avec les deux coüillons d’un Liévre & le foye d’une Colombe reduissez le tout en poudre fine & en faites avaller à la personne sur qui vouz aurez quelque dessein, environ la quantité d’une demie dragme, & si l’effet ne suit pas al la premiere fois ; reiterez jusqu’a trois fois & vous serez aimé.“

Letzterer könnte auch aus dem Grimoire von Coco Zamis stammen. Aber über Grimoires und um falsche und echte Zauber demnächst mehr. Vielen Dank, Herr Doktor Siefener!

Ich wünsche euch ein magisches 2016!
Keep the Horror burning!

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Sonderberg im Schnitt

von am

Liebe Hörer,

das Jahr 2015 ist geschafft! Ich hoffe, ihr seid alle gut ins neue Jahr gerutscht, und wünsche euch ein schönes, erfolgreiches und vor allem gesundes Jahr 2016!

Inzwischen werkeln wir eifrig weiter an der neuen Sonderberg-Folge. Der Sprachschnitt ist zu einem großen Teil abgeschlossen … Sprachschnitt? Nun, das funktioniert folgendermaßen: Ich höre noch einmal sämtliche Aufnahmen durch, die ich mit allen Sprechern absolviert habe. Von fast jedem Satz des Skriptes gibt es dabei mehrere, manchmal sogar mehr als zehn Varianten, von denen jede in Nuancen anders gesprochen und betont ist. Ich wähle dann den „Take“ aus, den ich haben möchte. Dies ist oft genau der letzte, denn schließlich arbeitet man meist so lange mit einem Sprecher, bis der Satz so steht, wie er zuvor in der eigenen Vorstellung existierte. Es geschieht aber durchaus nicht selten, dass der Sprecher selbst einen überzeugenderen Vorschlag abliefert und man sich später im Schnitt selbst korrigiert.

Dabei sind mir natürlich auch die vielen Rollen wieder „über den Weg gelaufen“, die teilweise schon vor Jahresfrist aufgenommen wurden. So zum Beispiel die der exaltierten Dame Elvira von Carnap-Achenbach, die von Katja Brügger in herrlicher Manier gesprochen wird. Neben Inspektor van den Beeck, über den ich ja beim letzten Beitrag schon einige Worte verloren habe, sind natürlich auch Dr. Sonderberg und Minnie Cogner dabei, aber auch ein paar andere Bekannte aus früheren Fällen … Und wer weiterhin glauben möchte, dass man Hörspiele nur hören, aber nicht riechen kann, der sollte unserer neugierigen Minnie lieber nicht in die finsteren Abgründe folgen, in die sie sich diesmal bei ihren Ermittlungen begeben muss … Neugierig geworden? Das war beabsichtigt! 😉

Ein interessantes Detail gibt es übrigens noch zur Titelillustration zu erzählen, die Stefanie Bemmann wieder einmal grandios gelungen ist. Das Bild zeigt Minnie und Dr. Sonderberg beim Pferderennen – mit einem kleinen historischen Fehler. So wurden Ende des 19. Jahrhunderts natürlich schon Galopprennen gelaufen (und auch die Rennbahn auf den Lausward-Wiesen in Düsseldorf, auf der die Handlung zu einem Teil spielt, hat damals existiert). Dennoch kann das abgebildete Rennen so nicht stattgefunden haben! Denn die Jockeys saßen damals noch korrekt im Sattel. Der uns heute vertraute „stehende Sitz“, bei dem sich der weit nach vorn gebeugt über den Hals des Pferdes duckt, wurde erst kurz vor Ende des 19. Jahrhunderts von dem amerikanischen Jockey Tod Sloan eingeführt – wofür er beim ersten Ritt viel Spott und Häme kassierte. Aber der Erfolg gab ihm Recht …

Das soll es für dieses Mal gewesen sein. Den nächsten Blogeintrag gibt es am 1. Februar – natürlich mit weiteren Infos zur neuen Folge!

Viele Grüße
Dennis Ehrhardt

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Über Sonderbergs Notizen

von am 4. Januar 2016

Hallo ihr Lieben,

heute nehme ich so etwas Altmodisches wie einen Leserbrief zum Anlass, um ein wenig über die Extra-Geschichte des aktuellen Falles zu erzählen – wobei, so altmodisch ist dieser „Brief“ nun auch wieder nicht, denn er erreichte mich immerhin über die Zaubermond-Facebook-Seite …

Also. Wolfgang Dietrichs schreibt: „Endlich konnte ich mir gestern das neue Hörspiel von Sonderberg kaufen und es heute anhören 🙂 Meine Erwartungen wurden nicht entäuscht. Die Story ist absolut spannend bis zum Schluss, und die Sprecher leisten wieder erstklassige Arbeit. Geräusche und Musik sind, wie nichts anders zu erwarten, ebenfalls auf einem hohen Niveau. Der einzige Wehrmutstropfen ist, dass doch noch ein bis zwei Fragen offen geblieben sind. Aber damit kann ich leben. Aber der absolute Wahnsinn (für mich) ist die zweite Geschichte auf der CD. Ich habe nur noch gelacht. Andreas Fröhlich als Gregor hat hier seine Paraderolle gefunden. Auf so eine Story zu kommen ist schon genial. 🙂 Für mich eine klare Kaufempfehlung für alle,die ein hochwertiges und tolles Hörspiel nicht verpassen möchten. 🙂 „

Tja, was soll ich sagen – außer „danke“ …?

Vielleicht, dass seinerzeit, als ich die ersten Fälle von Sonderberg & Co. niedergeschrieben habe (es waren übrigens die ersten vier Fälle, die ich am Stück fertigschrieb, bevor auch nur eine Silbe am Mikrofon eingesprochen wurde – welch ein Wahnsinn, denk ich heute!) … Also, seinerzeit war jedenfalls noch keine Rede von „Sonderbergs Notizen“. Heute kann ich auch gar nicht mehr sagen, wie und wann ich auf die Idee kam. Nur dass sie mir sofort gefiel. In den Notizen konnte ich nämlich viel freier schreiben als in den regulären Fällen. Es gab ja keinen Kriminalfall, der unbedingt gelöst werden musste. Ich konnte Minnie und Dr. Sonderberg singen lassen, ich konnte Gregor ein Casino eröffnen lassen oder Minnie ein Fahrrad schenken … Kurzum, die Handlung musste überhaupt keinem besonderen Sinn folgen. Sie passierte einfach – und ich glaube, diese Freiheit ist es, die die „Notizen“ im Anhang zu jeder Folge bis heute zu etwas Besonderem machen. Was ich übrigens nicht als Einziger feststelle. So meinte Andreas Fröhlich bei den Aufnahmen zum „Przygodda-Fall“, dass ihm die Geschichte wieder einmal sehr gut gefallen habe – aber die „Notizen“ fände er wirklich großartig …!

Auch zu diesen speziellen Notizen, also dem „Totalisator“, gibt es übrigens etwas zu erzählen. Als nämlich feststand, dass ich Elemente des (wahren) Przygodda-Falls mit den Intrigen um ein Pferderennen verknüpfen würde, habe ich natürlich einige Bücher über die Geschichte des Pferderennens gewälzt. Ich verstehe nämlich zugegebenermaßen so gar nichts vom Pferderennsport und war dementsprechend überrascht, wie „professionalisiert“ dieser im 19. Jahrhundert bereits war. Und welche Bedeutung auch das Wetten damals hatte.

Und dann stolperte ich irgendwann zwangsläufig über den „Totalisator“. Es war das Wort, das mich sofort elektrisierte! Es klang so nüchtern-technisch und gleichzeitig so umfassend und absolut, dass ich seiner Bedeutung sofort auf den Grund gehen musste. So fand ich heraus, dass es sich also nicht um einen Vorläufer des Terminator, sondern um eine besondere Wettmaschine handelte. Aha. Und dann las ich davon, wie das Gewicht von Pferden und Jockeys kontrolliert wird und welche peniblen Regeln es gibt, um für einigermaßen faire Verhältnisse beim Rennen zu sorgen. Und was soll ich sagen, natürlich klopfte in diesem Moment sofort Gregor an die Tür in meinem Hinterkopf und fragte mich: Wer wenn nicht er sei denn bitte schön dafür geschaffen, diese Regeln grundsätzlich auf den Kopf zu stellen …? 🙂

Da die Aufnahme mit Andreas Fröhlich, der ja den Hauptteil der „Totalisator“-Geschichte trägt, sehr, sehr spät erfolgt ist, habe ich das Skript dementsprechend lange vor mir hergeschoben bzw. erst einige Parts verfasst, die für die früher aufgenommenen Sprecher wichtig waren. Also z. B. die kleinen Zwischenszenen mit Sonderberg und Minnie auf der Tribüne der Rennbahn. Aber irgendwann musste das Skript dann natürlich trotzdem mal richtig fertig werden – und wie so häufig bei den Notizen war ich überrascht, wie lang das Extra-Hörspiel dann geworden ist. Was man übrigens an einem winzigen, winzigen „Fehler“ erkennt …

So erklärt nämlich „Mick“ alias Bernd Vollbrecht Gregor zu Beginn, dass er nur „zehn Minuten“ Zeit habe, bevor die Jockeys den Stall betreten. Das liegt daran, dass ich die Szene mit „Mick“ zu einem sehr frühen Zeitpunkt geschrieben habe – zu dem ich davon ausging, dass Gregor ein-, höchstens aber zweimal gezwungen sein würde, seine Wette zu ändern. Aber dann hat sich die Handlung in der finalen Skriptphase, hm, irgendwie … verselbstständigt: Gregor hetzte dauernd hin und her, und alles passte so famos zusammen … bis auf den besagten Satz von „Mick“, der aber schon aufgenommen war … Nun gut, dachte ich. Man muss sich selbst nicht ernster nehmen als nötig – und so ist Gregor nun vermutlich der erste und einzige Mensch der Welt, der innerhalb von zehn Minuten acht Pferden mehrfach den Wassereimer auffüllen und zwischendurch noch drei Mal zum Totalisator rennen kann, um sich dort durch das Gedränge zu kämpfen und seine Wetten zu ändern. Chapeau, Gregor, deine Fitness möchte ich haben! 🙂

Das war es auch schon wieder einmal für heute. Den nächsten Blogbeitrag findet ihr an dieser Stelle in genau einem Monat am 1. Mai. Zum Abschluss wieder einmal zwei neue Rezensionlinks zum „Przygodda-Fall“, die mich zwischenzeitlich erreicht haben:

„Punktlandung für ein Hörvergnügen der Extraklasse!“, urteilt Mareike Lümkemann vom „Terror-Verlag“
„Eine Ausnahmeserie auf dem deutschen Hörspielmarkt!“, findet Markus Stengelin von Hoerspielsachen.de

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Besinnliche und weniger besinnliche Zeiten

von am 25. Dezember 2015

Weihnachten? Pah! Humbug! Während ich über die Feiertage über dem nächsten HUNTER-Band brüte, fühle ich mich ein wenig wie ein gewisser bekannter Charakter von Charles Dickens. Wer braucht schon Weihnachten, wenn es Horror-Romane zu schreiben gilt? Allerdings, eventuell habe ich nachher noch eine kleine Überraschung für euch …

Zuerst allerdings möchte ich euch davon erzählen, wie ich im Laufe der Arbeit am kommenden HUNTER-Band einen neuen Grund gefunden habe, die Kolonialzeit nicht zu mögen. Dafür gibt es natürlich bereits viele Gründe. Meinen hat aber bisher sicher niemand genannt: Man findet schwer wirklich interessante Schauplätze für die Hunter-Vergangenheitshandlung.

Wir befinden uns in der Vergangenheitshandlung derzeit 1793. Das Letzte, was man von Hugo Bassarak gehört hat, ist, dass er aus Frankreich fliehen musste. Und ich dachte mir, ich schicke ihn vielleicht mal wieder in ein exotisches Land. In Europa haben wir uns nun lang genug aufgehalten. Also habe ich mich ein wenig umgesehen. Aber egal, wohin man um diese Zeit schaut, überall sind die Engländer schon da oder die Spanier oder die Holländer. Überall sind sie schon hindurchgetrampelt und haben alles zerstört, was zu uneuropäisch war. Es ist zum Verrücktwerden! Wenn ich einen Roman voller Europäer schreiben wollte, würde ich einfach in Europa bleiben. Und eine Handlung rund um versklavte Einheimische hatten wir auch schon mit Eno.

Klar gibt es auch Länder, die die Europäer sich nicht unter den Nagel gerissen haben. China zum Beispiel. Die wahrscheinlich klügste Entscheidung, die je ein chinesischer Herrscher getroffen hat, war, die Engländer einfach nicht ins Land zu lassen. Diese durften an genau zwei Orten Handel treiben, und das war’s. Diese Situation wird ein paar Jährchen später besonders interessant, und damit werde ich auf jeden Fall noch etwas machen.

Aber ansonsten? Ganz Afrika war damals im Prinzip komplett im Arsch. Und das ist es ja bis heute. Einfach nur, weil sich vor über 200 Jahren ein paar Leute für die Krone der Schöpfung gehalten haben und meinten, sie hätten das Recht, überall einzumarschieren, wo es ihnen gerade passte, und sich alles zu nehmen, was sie gerade haben wollten. Es ist zum Haareraufen!

Aber als Autor wird man immerhin dafür bezahlt, kreativ zu sein, auch unter erschwerten Umständen. Lasst euch nächstes Jahr überraschen, wie ich das Kolonialzeit-Problem gelöst habe.

Und ich habe tatsächlich noch eine Weihnachtsüberraschung für euch. Wir haben wieder einen schaurig-schönen Bildschirnhintergrund für euch vorbereitet.

Hier könnt ihr ihn in verschiedenen Auflösungen herunterladen. Zum Speichern bitte jeweils auf den Link rechts klicken und „speichern unter“ auswählen.

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DAS HAUS ZAMIS: Ein Blick zurück, ein Blick nach vorn

von am 18. Dezember 2015

Mit dem aktuellen DAS HAUS ZAMIS-Band 44 liegt der dreibändige Dakota-Zyklus komplett vor. Insgesamt fünf Autorinnen und Autoren waren daran beteiligt niederzuschreiben, was Coco Zamis und ihrer Vampirfreundin Rebecca im legendären Dakota-Building Haarsträubendes widerfährt. Mit dem DAS HAUS ZAMIS-Autor Rüdiger Silber sprach ich über den aktuellen Band, aber auch darüber, was Coco Zamis und Rebecca im nächsten Jahr erleben.

Uwe Voehl: Rüdiger, was erwartet den Leser in deinem Abschlussband?

Rüdiger Silber: Beauties and Beasts. The Good, the Bad and the Ugly. Ein Wiedersehen mit dem Grauen Mann. Eine starke, kämpferische Rebecca. Und ein »furioser Showdown« (Deine Worte, Uwe).

Du hast dich während des Schreibprozesses besonders intensiv mit dem Dakota-Building auseinandergesetzt …

Bekannt ist das Dakota ja vor allem, seit im Eingangsbereich John Lennon erschossen wurde. Davor kannte man es als Schauplatz von Rosemaries Baby, dem Polanski-Streifen. Im Film heißt es allerdings, wie schon in der Romanvorlage, Bramford House. Es stimmt auch nicht, dass Polanski den Film im Dakota gedreht hat. Nur für die Anfangsszenen, wenn der Wohnungsmakler Rosemary und Guy durch die Tordurchfahrt und den Innenhof führt, dient der Originalschauplatz als Kulisse. Der Rest wurde im Studio nachgebaut. Bis heute sind Dreharbeiten im Dakota untersagt, schließlich will man die betuchten Wohnungseigentümer, die häufig selbst Filmstars sind, nicht stören. Einer von ihnen war übrigens Boris Karloff, der Horrorfreunden nicht unbekannt sein dürfte.

Wenn man auf heutigen Luftaufnahmen sieht, wie klein und eingezwängt das Dakota inmitten der jüngeren, viel höheren Nachbargebäude wirkt, ganz zu schweigen von den Manhattener Wolkenkratzern, die es rings überragen, dann fällt es schwer zu glauben, dass es nach seiner Fertigstellung 1884 ganz allein auf weiter Flur am Rande des Central Parks emporwuchs, einsam wie ein gotisches Schloss. Ursprünglich besaß das ›Schloss‹ 65 Luxusapartments … und keines gleicht dem anderen, jedes hat einen andere Zimmeraufteilung, eine andere Größe und einen anderen Grundriss. Daher wirken die Etagenpläne so labyrinthisch und undurchschaubar. Man kann sich leicht vorstellen, dass es geheime Kammern gibt … Außenfester, zu denen kein bekanntes Zimmer gehört … und natürlich Gespenster. Unter anderem soll der Bauherr des Dakota, der Nähmaschinenfabrikant Edward Clark, im Keller umgehen. Ich hatte sogar vor, seinen Geist im Showdown meines Abschlussromans als Helfer von Rebecca auftauchen zu lassen, mich letztlich jedoch dagegen entschieden.

Bei aller Recherchegenauigkeit habe ich mir durchaus Freiheiten genommen. Apartmenthäuser in der Liga des Dakota haben keine Flure oder Gänge wie Mietskasernen oder Hotels, von denen Wohnungs- oder Zimmertüren abzweigen. Schon weil das nicht privat genug wäre. In meinem DHZ-Roman jedoch hätte das Fehlen von Fluren die Bewegungsfreiheit der handelnden Personen im Gebäude zu sehr eingeschränkt. Außerdem: Was wäre ein ›Geisterschloss‹ ohne lange, düstere Gänge?

So weit die Gegenwart. Wie sieht die Zukunft aus? Du schreibst bereits an am nächsten Roman. Kannst du den Lesern schon etwas verraten?

Schauplatz ist New Orleans und Umgebung. Die dramatischsten Szenen spielen in einer alten Südstaaten-Plantagenvilla am Ufer des Mississippi und in einem sumpfigen, alligatorverseuchten Bayou. In meinem Abschlussroman des Dakota-Zyklus ist Rebecca die Aktive, außerdem haben etliche Nebenfiguren eigene Szenen. Dafür schaffe ich jetzt einen Ausgleich. Coco trägt die Handlung, die fast komplett aus ihrer Sicht erzählt ist. Unterstützt wird sie von einem neu eingeführten weiblichen Sidekick, einer Vampirin, mit der sie zeitweilig mehr verbindet als reine Freundschaft. Ein zünftiges Coco-Abenteuer mit Vampiren … und Voodoo.

Vielen Dank, Rüdiger! Und für alle Leser haben wir bildlich oben noch einen besonderen Weihnachtsgruß. Es zeigt das Dakota kurz nach seiner Einweihung in winterlicher Kulisse. Wenn es schon hierzulande nichts wird mit weißer Weihnacht!

Ich wünsche euch allen frohe Festtage und
Keep the Horror burning!

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Was eigentlich im Booklet von Folge 29 hätte stehen sollen

von am 11. Dezember 2015

In den Booklets der Hörspielfolge 29 haben wir uns – was für eine Überraschung! – ausführlicher mit Coco Zamis befasst. Dabei sind wir in Folge 29.1 der Frage nachgegangen, welche Bedeutung ihr Werdegang und ihre Vergangenheit für die Serie haben. Im Booklet zu Folge 29.2 haben wir die Sprecherinnen vorgestellt, die Coco im Laufe der beiden Hörspiele ihre Stimme geliehen haben – Christina Staats der kindlichen, Lotta Doll der jugendlichen sowie natürlich Claudia Urbschat-Mingues der uns bisher bekannten erwachsenen Coco Zamis. Dabei sind die Booklet-Texte sehr umfangreich ausgefallen und mussten vor dem Druck aus Platzgründen gekürzt werden. Hier könnt ihr nun die kompletten Texte lesen:


Booklet-Text zu Dorian Hunter 29.1, „Hexensabbat – Lehrjahre“

„Mein Name ist Dorian Hunter. Ich bin der Sohn des Teufels.“ –  Diese Gewissheit hat Dorian Hunters Weg von Beginn an geprägt. Er gewann Verbündete und Helfer in seinem Kampf gegen die Schwarze Familie, vielleicht sogar Freunde (obwohl wir tief in unserem Innersten davon überzeugt sind, dass jemand wie Dorian Hunter keine Freunde hat). Aber auch wenn Phillip Hayward seine Adoptiveltern verlor, Donald Chapman auf Puppengröße geschrumpft wurde und Mitglieder des Secret Service ermordet wurden – stets war es Hunters Schicksal, das uns berührte!

Mit einer Ausnahme. Denn sosehr wir Dorian verstehen, so wissen wir inzwischen auch, dass er ein Getriebener ist, ein Mensch, der in fremde Fußstapfen trat und das Leben führt, welches ihm durch den Fluch des Barons Nicolas de Conde auferlegt wurde.

Was aber, wenn er sein Schicksal selbst gewählt hätte? Wenn er viel tiefer in die Schwarze Familie verstrickt – oder sagen wir einfach: eines ihrer mächtigsten und wichtigsten Mitglieder gewesen wäre? Vielleicht unter Dämonen aufgewachsen wäre? Hätte er die Kraft gehabt, sich aus diesen Fesseln zu befreien?

Coco Zamis hatte die Kraft – und das ist eigentlich auch schon das Einzige, was wir über sie wissen. Bis auf die Tatsache, dass ihre Sippe großen Einfluss innerhalb der Schwarzen Familie hatte, bevor sie einer Intrige Olivaros zum Opfer fiel. Und dass Coco als eine der talentiertesten Hexen galt und einst vielleicht sogar Anspruch auf den Thron hätte erheben dürfen. Trotzdem glauben wir ihr, dass sie all das für ein Leben an Dorians Seite aufgegeben hat. Mehr noch, wir wollten sie an Dorians Seite sehen, viel lieber als Lilian!

Woher dieses Vertrauen? Gibt es vielleicht noch andere Motive, die Cocos Handeln erklären? Wenn sie wirklich so anders ist als andere Dämonen – wie konnte sie dann länger als zwei Jahrzehnte unter ihnen überleben? Wie verläuft überhaupt ein Leben innerhalb der Schwarzen Familie?

„Hexensabbat“ lüftet einige dieser Geheimnisse, „weil die Leser bestimmt mehr darüber erfahren wollen“, wie Ernst Vlcek im Exposé des zugrundeliegenden Romans schrieb. Er wollte die Geschichte zudem nutzen, um „mehr über die innere Struktur der Schwarzen Familie bekanntzugeben. Das ist längst überfällig.“

Das finden wir auch.

Booklet-Text zu Folge 29.2, „Hexensabbat – Reifeprüfung“

Cocos Jahre in der Schwarzen Familie innerhalb von nur einer Folge zu erzählen, ist schlichtweg unmöglich. Selbst wenn sie zwei CDs umfasst. Zu umfangreich sind ihre Erlebnisse, zu umfangreich ist die Liste der Menschen und Dämonen, denen sie begegnete und die Einfluss auf sie ausübten.

So umfasst allein die Sprecherliste für die aktuellen Folgen inklusive aller Kleinrollen 52 Einträge. Darunter befinden sich natürlich auch die Namen der Sprecherinnen, die Coco während der verschiedenen Lebensphasen ihre Stimme geliehen haben: Christina Staats, die Coco als elfjähriges Mädchen verkörpert, hat bereits in diversen Folgen von »Geisterjäger John Sinclair« ihr Können unter Beweis gestellt, und Lotta Doll überzeugt mit jenem gewissen Etwas in ihrem Spiel, das eine glaubhafte Verbindung zur späteren, uns bekannten Stimme von Claudia Urbschat-Mingues schafft. Übrigens haben Claudia und Lotta bezeichnenderweise schon in dem Computerspiel »Dishonored – Die Maske des Zorns« äußerst glaubhaft Mutter und Tochter des Herrschergeschlechts Kaldwin verkörpert …

Neben der Besetzung bedeuteten die vielen Rollen natürlich auch für das Skript und die Handlungsführung eine Herausforderung. Cocos Weg musste so stringent gezeichnet werden, dass man trotz der vielen Charaktere niemals den Überblick verliert. Ein Verdienst, das auch dem Sounddesign zugerechnet werden muss, bei dem Alexander Rieß die Szenen von Vergangenheit und Gegenwart mittels einiger interessanter akustischer Tricks voneinander abzugrenzen wusste. Bleibt die Musik von Andreas Meyer zu erwähnen, der eigens für diese Folge ein Thema entwickelt hat, welches Coco während verschiedener Lebensphasen begleitet.

Wir danken an dieser Stelle allen Beteiligten, die mitgeholfen haben, diese erste Folge des Zamis-Zyklus fertigzustellen, der insgesamt noch zwei weitere Folgen in CD-Länge umfassen wird. Und irgendwie beschleicht uns dabei das Gefühl, das Cocos Geschichte noch nicht auserzählt ist und es mit der einen oder anderen Stimme irgendwann ein Wiederhören geben wird…

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Die Testamentseröffnung steht bevor!

von am 27. November 2015

Nur noch eine Woche bis zum Erscheinen der DORIAN HUNTER-Doppelfolge 29.1 und 29.2! Wir nehmen dies zum Anlass, um einen kleinen Blick hinter die Kulissen von „Hexensabbat – Lehrjahre“ und „Hexensabbat – Reifeprüfung“ zu werfen … und euch damit hoffentlich den Mund noch etwas wässriger zu machen, als er ohnehin schon sein dürfte – nach einem halben Jahr Warten auf ein neues DH-Hörspiel!

Der zugrundeliegende Roman gilt unter den Fans der Serie als Meilenstein. Zum ersten Mal erfahren wir darin Näheres über Cocos Jugendzeit in der Schwarzen Familie. Serienschöpfer Ernst Vlcek eröffnete das zugehörige Exposé seinerzeit mit den Worten: „Dies ist der erste Roman eines kleinen Zyklus, den wir ‚Die Zamis-Saga’ nennen wollen und der ich-weiß-noch-nicht-wie-viele-Bände umfassen wird.“ Davon sollten sich explizit die ersten beiden Bände mit Cocos Vergangenheit befassen und „mehr über die innere Struktur der in der Schwarzen Familie zusammengefassten Dämonenfamilien“ bekanntgeben.

Dieser Zamis-Zyklus umfasste in der Erstauflage vier Bände – und in der Zweitauflage sogar fünf. Dieses Kuriosum verdanken wir der Entscheidung des Pabel-Verlags, seinerzeit den indizierten Roman Nr. 7, „Amoklauf“ kein zweites Mal zu veröffentlichen. Seitdem hinkte die Zweitauflage der Erstauflage in der Nummerierung um einen Band hinterher. Der Zamis-Zyklus erschien Ernst Vlcek und Neal Davenport als ideale Gelegenheit, einen zusätzlichen Roman einzuschieben und damit die originale Nummerierung wiederherzustellen.

Der neu verfasste Band 34 erschien unter dem Titel „Der schwarze Hengst“ und sollte für lange Zeit der einzige neue Roman innerhalb der Zweitauflage bleiben. Als Schauplatz wählte Stammautor Neal Davenport, der u. a. bereits einige Fachartikel zu Pferdezucht und Pferderennen verfasst hatte – ein Hippodrom. Ein Horror-Roman über Pferderennen?! Vielleicht ein zu ambitionierter Ansatz, denn die Geschichte missglückte grandios. Zu viele Handlungsstränge aus alten Romanen wurden aufgegriffen, zu viele Selbstzitate eingebracht – man merkte Neal Davenport zwar an, dass er sich redlich bemüht hatte, aber fast zehn Jahre nach dem Erscheinen des letzten neuen DORIAN HUNTER-Romans deutlich aus der Übung war.

Als Andrea und ich vor über einem Jahr begannen, uns den Kopf über die Hörspielumsetzung des Zamis-Zyklus zu zerbrechen, drohten wir in genau dieselbe Falle zu laufen. Gerade der Roman „Hexensabbat“ ist so grundlegend für die Serie – es werden Dämonensippen in Wien und ihre Konflikte und Rituale vorgestellt, es werden Figuren neu gezeichnet oder weiterentwickelt, die zum Gerüst der Serie zählen: wie der unheimliche Syndikus Skarabäus Toth oder auch Cocos Eltern und Geschwister, die bis dato nicht über Gastauftritte hinausgekommen, ja teilweise nicht einmal namentlich genannt worden waren.

Auch bildet der Zamis-Zyklus ja – was zum Zeitpunkt der Erstauflage niemand wusste –den Grundstein für das Spin-Off DAS HAUS ZAMIS mit allen seinen neuen Handlungssträngen und seinem tieferen Verständnis für die innere Struktur der Schwarzen Familie. Viel Ballast also – und viel Verantwortung, der wir mit einem auf insgesamt vier Teile umfassenden Zyklus im Hörspiel gerecht zu werden versuchen:

Folge 29.1, „Hexensabbat – Lehrjahre“
Folge 29.2, „Hexensabbat – Reifeprüfung“
Folge 30, „Hochzeitsnacht“
Folge 31, „Capricorn“

Die Folgen 29.1 und 29.2 sind dabei so eng ineinander verwoben, dass man sie nur als Doppelfolge bringen kann. Folge 30 und 31 aber zählen ebenso zum Zyklus und schließen die Geschichte ab – wobei wir uns im Vergleich zu den Romanen durchaus Freiheiten erlaubt haben. Zum Beispiel in Form einiger offener (und einiger versteckter) Rückgriffe auf spätere Romane der ZAMIS-Serie. So wird ein gewisser Boris Zamis seinen Auftritt bekommen … und wir haben die Handlung des Romans „Der schwarze Hengst“ in den Vierteiler integriert … und … und … und …

Beste Voraussetzungen also, um grandios zu scheitern … oder ein echtes Hörspielfest zu feiern!

Wir sind gespannt auf eure Meinung! 🙂

Dennis Ehrhardt

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DORIAN HUNTER 82: Finstere Wesen in Norwegen

von am 20. November 2015

Norwegen zeichnet sich unter anderem dadurch aus, dass es erst sehr spät christianisiert wurde. Während im Rest von Europa schon alle brav zur Kirche gingen und sich vor Dämonen fürchteten, glaubte man in Norwegen noch an die alten Götter … und andere Wesen. Deshalb habe ich mir die Frage gestellt: Was wäre, wenn auch die Schwarze Familie dort erst recht spät Fuß gefasst hat?

In DORIAN HUNTER Band 82 verschlägt es Dorian auf der Jagd nach Mainica nach Norwegen. Aber nicht nur das. Er muss auch in der Vergangenheit forschen, diesmal allerdings nicht in seinen eigenen Erinnerungen, sondern in den Aufzeichnungen eines norwegischen Dämonenjägers, der aktiv war, lange bevor Dorians erste Inkarnation, der Baron de Conde, überhaupt geboren wurde.

Was er dabei herausfindet, dürfte nicht nur ihn überraschen. Denn in Norwegen trieb damals eine ganz eigene Art von Dämonen ihr Unwesen. Aber lest selbst, was bei einem Thing in einem kleinen norwegischen Dorf zutage kommt.

Als dritte Person wurde ein junges Weib vorgeführt, das verstört und voller Angst um sich blickte. Laut dem Thingschreiber hieß das Weib Raghild, zählte dreiundzwanzig Winter und war der Hexerei angeklagt. Als der Thingsprecher ihre Untaten verlas und sie so zur Anklage brachte, begann Raghild, die Gott nicht mit übermäßiger Schönheit bedacht hatte, zu zittern und leise zu schluchzen. Sie senkte den Kopf, weil sie niemanden aus der atemlos schweigenden Menge anschauen wollte.
„Raghild Skjelbred, du dientest dich dem Bauern Vegard Forren als Amme an, da seine Frau Lisa im Kindbett verstarb und dein eigenes Kind kurz zuvor tot zur Welt kam. Doch anstatt den kleinen Snorre Forren mit deiner eigenen Milch zu stillen, wie sich das für eine gute Amme gehört, hast du ihm gleich am ersten Tag ein anderes Aussehen angehext, während Vegard Forren die Feldarbeit verrichtete. Als er am späten Nachmittag vom Feld zurückkehrte, fand er den kleinen Snorre mit völlig verändertem Aussehen im Kindbett vor. Du selbst warst nicht im Haus bei dem Kind, wie sich das für eine Amme gehört, Raghild Skelbred, du kehrtest erst eine halbe Stunde später wieder zurück.“
Empörtes Murmeln ging durch die Reihen der Zuhörer. Ich hörte vereinzelte „Lasst die Hexe brennen!“-Rufe.
„Ruhe!“, schrie der Vogt mit voller Stimme. „Hier wird niemand verbrannt. Jedenfalls nicht so schnell. Ich bin damit beauftragt, die Wahrheit herauszufinden, und das werde ich tun. Zuerst soll Raghild Skjelbred Gelegenheit gegeben werden, sich zu rechtfertigen.“
Ein Mann in der Menge hob die Arme. „Sie war eifersüchtig, dass ihr eigenes Kind starb, während meines leben durfte!“, schrie er schrill. „Vielleicht hat sie selbst auch niemals ein Kind geboren, sondern es uns allen nur vorgegaukelt, damit ich sie als Amme annehme. Wer weiß, was sie noch vorgehabt hätte, wenn ich nicht früher als geplant vom Feld zurückgekehrt wäre. Sie muss brennen!“
„Ruhe!“, brüllte der Vogt erneut. „Das gilt auch für dich, Vegard Forren. Du hast dich wie alle anderen den Regeln des Things zu unterwerfen oder ich lasse dich entfernen.“
Forren ließ den Kopf sinken und Raghild Skjelbred begann zu sprechen. Leise, stockend, ich musste genau hinhören, damit ich sie verstand.
„Ich bin keine Hexe, hoher Thingrichter. Ich bin nur eine einfache Frau, eine verzweifelte Mutter, die sich Vegard Forren in bester Absicht und aus tiefem Mitleid heraus als Amme angedient hat …“ Sie zitterte nun so stark, dass der Vogt ihr einen Stuhl hinschieben ließ. Dankbar sank sie darauf nieder, während das empörte Murren im Publikum anstieg. Wieder musste der Vogt eingreifen.
„Als ich … den kleinen Snorre gestillt hatte und er friedlich in seiner Wiege schlief, ging ich in die Küche, um etwas Fisch und Smalahove, geräucherten Schafskopf, fürs Abendessen zuzubereiten. Plötzlich hörte ich ein Poltern im oberen Stockwerk und ich ging die Treppen hoch. Dann betrat ich Snorres Zimmer und … und …“ Sie brach in ein Schluchzen aus. Mit dem Ärmel wischte sie ihre Tränen ab.
„Weiter“, verlangte der Vogt.
„Im Zimmer standen … drei Fremde. Ich hatte sie nie zuvor gesehen. Zwei Frauen und ein Mann. Die … die eine Frau hielt Snorre auf dem Arm, der plötzlich zu schreien anfing, während in der Wiege ein völlig fremdes … Ding lag. Es strampelte und schlug mit den Armen um sich, sah aber nicht wie … ein Mensch aus, irgendwie anders, so unglaublich hässlich. Der … Mann stand an der Wiege und wollte gerade etwas machen, aber … die … die Fremden schienen Angst vor mir zu haben …
Ich weiß nicht mal, ob das überhaupt Menschen waren, aber … aber sie starrten entsetzt auf meine Brust, wo das Schutzamulett meiner Großmutter hing. Der Mann an der Wiege fuhr hoch. Sie … fauchten und zischten mich an und sahen böse aus. Ich hatte schreckliche Angst und schrie sie an, Snorre nichts zu tun und ihn mir zu geben. Aber sie flohen durch das offene Fenster, durch das sie gekommen waren. In meiner Panik rannte ich nach unten und … hinter ihnen her.“ Mit flehenden Blicken sah sie den Vogt an. „Herr, ich wollte doch nicht, dass sie Snorre mitnehmen, ich wollte nicht, dass dem Kleinen etwas passiert. Wer weiß schon, was sie mit ihm vorhaben? Das erklärt, warum ich nicht im Haus war, denn ich habe über eine Stunde die ganze Umgebung nach ihm abgesucht, fand die Fremden aber nicht mehr.“
Höhnisches Gelächter aus dem Publikum ertönte. „Wer soll das glauben, verfluchte Hexe? Nichts als Ausreden, um dem Scheiterhaufen zu entgehen.“ – „Ich wusste ja schon immer, dass die Dreck am Stecken hat! Auch meine Kuh hat sie schon verhext, so dass sie keine Milch mehr gab.“ – „Ja, meine auch!“
Der Vogt hatte Mühe, die Menge wiederum zu beruhigen. Aber er schaffte es. „Warum glaubst du, dass die Fremden keine Menschen waren?“
Raghild schluckte ein paarmal. Die Worte wollten ihr nur schwer über die Lippen. „Es … waren die Schatten der Fremden. Sie bewegten sich … anders als diese, geradeso, als ob sie selbst leben würden. Sie schnappten nach mir, aber auch sie schienen Angst vor dem Schutzamulett meiner Großmutter zu haben.“

Neugierig geworden? Mehr gibt es ab dem 4.12. hier.

Andrea

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DAS HAUS ZAMIS 44: Showdown im Dakota Building

von am 14. November 2015

Als neuer Blog-Autor begrüße ich euch ganz herzlich. Da ich hauptsächlich Exposés und Romane für die Zaubermond-Serie DAS HAUS ZAMIS verfasse, schenke ich den Zamis natürlich besonders viel Herzblut. Heute gebe ich euch einen Vorgeschmack auf das Anfang Dezember erscheinende DAS HAUS ZAMIS-Buch „Mit dunklen Schwingen kommt der Tod“. Vorhang auf!

Das legendäre Dakota Building in New York ist auch im neuen DAS HAUS ZAMIS-Band Schauplatz dämonischer Auseinandersetzungen. Das Gebäude galt schon immer als Refugium für die Reichen, Schönen und Seltsamen: Leonard Bernstein, Judy Garland, John Lennon, der Frankenstein-Darsteller Boris Karloff … Aber nicht nur Menschen, auch Dämonen zieht es in dieses legendenumwobene Gebäude, und davon erzählt das neue Buch. Darin versucht Coco Zamis, ihre Vampirfreundin Rebecca aus den Fängen einer bereits seit hundert Jahren im Dakota lebenden Dämonenfamilie zu befreien. Ob ihr das gelingt? – Die Gegner werden von einer Dämonin angeführt, die sicherlich eine der grausamsten im bisherigen Zamis-Universum ist: Amelia Vanderbuild. Kostprobe gefällig?

Das Dämonenbaby gab einige unzufriedene Laute von sich, aber die Hände sanken herab.
Amelia Vanderbuild beherrschte dieses kleine, nimmersatte Wesen. Es gab ihr Macht. Sie hatte lange keinen solchen Triumph mehr gefühlt. Seit sie im Dakota festsaß, hatte sie vor allem Frust und Langeweile gekannt. Aber das war nun vorbei. Sie war wieder frei.
»Noch ein bisschen Geduld«, säuselte sie weiter. »Das Essen kommt gleich, mein Kleines.«
Es klingelte.
»Siehst du, da ist es auch schon.« Amelia rollte eilig zur Tür. Sie setzte ein breites Lächeln auf, als sie öffnete.
Ein schlaksiger junger Mann in der Uniform eines Lieferdienstes stand vor der Tür und starrte eingeschüchtert vor sich hin. Er hielt eine Pizzaschachtel in der Hand, aus der es sogar noch ein wenig dampfte. »Pizza Diavolo mit extra Peperoni?«
Amelia rollte tiefer in die Wohnung hinein und tat so, als würde sie nach ihrem Geldbeutel suchen. »Stellen Sie sie schon mal auf den Couchtisch!«, rief sie über die Schulter und verschwand im Schlafzimmer.
Sie hielt den Rollstuhl an, genauso wie ihren Atem. Da waren die zögerlichen Schritte des Pizzaboten, dann leise, schmatzende Geräusche aus der Krippe. Etwas raschelte, der Pizzakarton kratzte über das Glas des Couchtisches.
Für einen Moment Stille.
Ein erschrockenes Einatmen.
Dann ein Schrei.
Als Amelia ins Wohnzimmer zurückkehrte, schrie der Pizzabote immer noch. Er versuchte einen Tentakel zu erreichen, der sich zwischen seine Schulterblätter gebohrt hatte, aber seine Finger streiften nur immer wieder über die glitsche Oberfläche. In der Krippe gluckste das Dämonenbaby glücklich.
Flüssigkeit pulsierte durch den Tentakel, wurde aus dem Boten herausgesaugt und in die Krippe geleitet. Die schmatzenden Geräusche wurden lauter. Die Bewegungen des Pizzaboten wurden schnell schwächer. Er verlor an Farbe, fiel dann in die Knie. Entsetzen zeichnete sich auf seinen Zügen ab. Flehend streckte er eine Hand nach Amelia aus.
Er versuchte fortzukriechen, aber der Tentakel, der in seinem Rücken steckte, zog ihn zurück. Er wimmerte leise.
Schließlich hörte das Schmatzen auf. Amelia rollte zur Krippe hinüber. Ihr Enkelkind hatte die Augen geschlossen und nuckelte zufrieden am Daumen. Der Tentakel endete dort, wo bei einem Menschen der Bauchnabel gewesen wäre. Wie eine groteske Nabelschnur.
Der Pizzabote lebte noch, aber er war zu schwach, um sich aufzurichten. Wimmernd lag er auf dem Boden …

Appetit bekommen? Die Forsetzung gibt es ab dem 4.12. hier.

Keep the Horror burning!

Uwe

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