Real- und Fiktivwelt

30. April 2021

Der erste „Dämonenkiller“-Roman erschien im Jahr 1973. Für Knacker wie mich, die damals schon auf der Welt waren, ist es das Jahr der Ölkrise.
Ich war zehn Jahre alt und erinnere mich noch gut an die Verunsicherung, die damals um sich griff. Selbst für mich als Kind war sie spürbar. Die große Reisefreiheit, die unmittelbar mit dem Besitz eines eigenen Autos zusammenhing, war auf einmal gefährdet. Bei uns in Österreich mußten Autofahrer Pickerl (Aufkleber) auf den Windschutzscheiben affichieren. In großen Buchstaben stand da: Mo, Di, Mi, Do, Fr oder Sa. An diesem einen Wochentag waren die Fahrzeughalter verpflichtet, ihr Auto stehen zu lassen. Weiters wurden „Energieferien“ zum Schulhalbjahr eingeführt. Eine Woche lang, so der Plan, sollten die Kinder zu Hause bleiben und damit Energie gespart werden.
(In einer typisch österreichischen Lösung blieb uns nach dem Ende der Energiekrise diese Ferienwoche erhalten, heute sagt man „Semesterferien“ dazu.)

Der Dämonenkiller blieb von diesen realpolitischen Geschehnissen unberührt. Die Aufgabe von Heftromanen ist es nun mal, den Lesern für ein, zwei Stunden eine schöne Zeit zu verschaffen. Sie wollen sich in andere Welten träumen, sich gruseln, Herzschmerz erleiden, mit ruchlosen Cowboys auf Jagd gehen. Man geht für kurze Zeit auf gedanklichen Urlaub.

Beim Dämonenkiller hatte man – wie in vielen anderen Serien auch – das Gefühl, dass in diesem von Kurt Luif und Ernst Vlcek ersonnenen Universum die Sonne immer am selben Fleck im Himmel stehen würde. Niemals änderte sich etwas. Jahre und Jahrzehnte vergingen in der Realzeit, aber Coco Zamis blieb stets dieselbe 19- bis 20jährige junge Frau. Dorian Hunter indes der zynische Jäger mit Vorlieben für harte Getränke und starke Zigaretten.

Was in der Realwelt vor sich ging, nahm nur wenig Einfluss auf die Dämonenkiller-Serie. Aber dieser Schein ist auf Dauer nur bedingt aufrecht zu erhalten. Irgendwann einmal fällt dem Leser auf, dass Alltagsgegenstände wie Handys fehlen. Man kann auch schwerlich weiter über ein Telefax schreiben, wenn diese Dinger nicht mehr existieren. Also mussten die Macher der Serie sachte Anpassungen vornehmen, was dann ja auch geschah – und immer noch geschieht. Skarabäus Toths Kanzlei mag nach wie vor einen knarrenden Holzboden, feinste Täfelungen und Stukkaturarbeiten an der Decke haben, aber ich bin mir sicher, dass hinter dem wuchtigen Schreibtisch ein Rechner mitsamt der notwendigen Infrastruktur steht. Auch das Wlan funktioniert vermutlich ausgezeichnet, um immer wieder mal in der Demonpedia nachblättern zu können.

Was sich aber nicht geändert hat, ist die eher archaische Gesellschaftsstruktur in den Dämonenfamilien. Sie ist auch meist patriarchalisch strukturiert (wobei es einige sehr starke Frauenfiguren gibt, aber das sind meist Einzelgängerinnen wie Coco). Gesellschaftspolitisch gesehen sind die Serien DORIAN HUNTER und DAS HAUS ZAMIS noch stark in der Vergangenheit verhaftet.

Ein wichtiger Aspekt der Serie ist natürlich die Idee, dass eine Parallelwelt mit Dämonen existiert. Sie leben unter uns, die Vampire und Leichenfresser, die Werwölfe und die Hexer. Sie tauchen in allen möglichen Formen auf, sie entspringen unterschiedlichen Kulturen. Interessanterweise gibt es nur wenige Figuren der „Gegenseite“, also des „Guten“. Die Menschen müssen sich selbst helfen. Jene, die sie verteidigen, kommen entweder aus den eigenen Reihen – oder aber sie sind abtrünnige Dämonen, die den Menschen helfen möchten. Aber was ist mit Gott, was ist mit Engeln?

Ich will nun keine Diskussion über die Hintergründe des Hunterversums lostreten. Ich mache mir bloß so meine Gedanken über die grundlegenden Ideen, die hinter DORIAN HUNTER stecken. Welche Aspekte denn für den Erfolg der Serie verantwortlich waren – und nach wie vor sind.
Gab es denn Einflüsse aus der realen Welt? Wurde der „Dämonenkiller“ deshalb so beliebt, weil er in einer Zeit geschaffen wurde, als sich die Menschen vor einem Ende der Energievorräte fürchteten und sich vermehrt in eine Fluchtwelt zurückzogen? Damals, in den Jahren ab 1973?