Thomasnacht von Catalina Corvo

30. Dezember 2016

Wir hoffen, ihr hattet alle schöne Feiertage, und wir wünschen euch einen guten Rutsch ins neue Jahr. Für den letzten Blogeintrag des Jahres 2016 haben wir außerdem eine Überraschung für euch: Ein verspätetes Weihnachtsgeschenk. Hier könnt ihr nun Catalina Corvos Kurzgeschichte „Thomasnacht“ in voller Gänze lesen.
Weitere Kurzgeschichten zu DORIAN HUNTER und DAS HAUS ZAMIS findet ihr in der Weihnachts-Anthologie „Unheilige Nacht“.

»Obduktion Susanne Michalski, geboren am 30. Januar 1964, verstorben am 19. Dezember 2016.« Die behandschuhten Finger des Pathologen stoppten das Band. Saranea beobachtete, wie er einen Augenblick innehielt und mit dem Handrücken seine dünne, randlose Brille zurechtrückte. »Unbekannte Todesursache, post Rigor Mortis, neun Stunden bei durchschnittlicher Lagerung in Raumtemperatur. Äußerlich lässt sich marmorierte Haut erkennen. Die Patientin weist keinerlei körperliche Schäden durch Außeneinwirkung auf.«

 Das Diktiergerät fand seinen Weg auf einen Beistelltisch, ohne dass die Aufnahme beendet wurde. »Eröffnung des Brustkorbs beidseits lateral.«
Das Durchtrennen der Haut verursachte ein erstaunlich lautes, knackendes Geräusch. Saranea kroch eine Gänsehaut über den Rücken. Das hatte sie sich anders vorgestellt. Natürlich veränderte der menschliche Körper mit dem Tod seinen Zustand. Die Totenflecke, Leichenstarre, marmorierte und zugleich leicht glasige Haut, das aufgedunsene Gesicht, all das kannte sie. Dennoch war das hier anders.
Der Pathologe klappte die durchtrennte Bauchdecke nach unten. Mit den Fingern fuhr er unter Darmschlingen, schob sie beiseite, griff darunter. Sein Gesicht blieb unbewegt. »Intraabdominelle Entzündungszeichen, Fribrinablagerungen. Kein Anzeichen auf maligne Veränderungen. Kein Hinweis auf Illeus.«

 Der Arzt verstummte.
Ein metallischer, scharfer Geruch schwappte zu der jungen Frau herüber. Für einen Augenblick war es still.

»Zersetzungserscheinungen der Leber …« Der Mediziner hob etwas Gräuliches an.

Saranea wurde schlecht. Der Gestank nahm zu. Als der Pathologe begann, die Rippen der Toten auseinanderzuspreizen, entfloh sie den hellen, gefliesten Räumen.

Als Saranea Elert eine knappe Stunde später in die U-Bahn stieg, verfluchte sie sich für ihre Neugier. Als Pflegerin auf einer Normalstation, die auch schon im OP assistiert hatte, hatte sie mit offenen Bäuchen ebenso wenig ein Problem wie mit gesplitterten Knochen oder Körpersekreten jeglicher Art. Sie hatte Menschen in den Endstadien schwerer Krankheiten begleitet, hatte unzählige Male Urin und Kot abgewaschen, Blut, Eiter oder Erbrochenes aufgewischt. Sie hatte schon viele abgedeckte Körper hinab in die Pathologie gefahren und danach ein leer gewordenes Bett neu gerichtet. Sie wusste besser als manch anderer, wie sterblich Menschen waren, und konnte trotzdem gut schlafen.
Doch dem Tod so direkt in die starren Augen zu blicken wie an diesem Mittag, erzeugte in ihr ein unbestimmtes Gefühl der Aufregung, das sie seit ihrer Ausbildung nicht mehr wahrgenommen hatte.

Vielleicht lag es daran, dass sie die alte Frau Michalski gekannt hatte. Zumindest ein wenig. Die Rentnerin war vor einer Woche mit entzündeten Mandeln eingeliefert worden. Sie hatte den Routineeingriff gut überstanden und war nur noch für ein paar Tage zur Beobachtung dageblieben, um auszuschließen, dass es zu Nachblutungen kam. Es war ihr gut gegangen. Sie hatte von ihren Enkeln erzählt, von den Geschenken, die sie dieses Jahr lieber im Versandhandel bestellt hatte, und vom Schopfbraten mit Rotkraut und Knödeln. Ebenso von den Buchteln, die sie jedes Jahr für die Familie backte.
Dabei hatte sie in diesem herrlichen altmodischen Singsang gesprochen, der echtes Wiener Urgestein verriet.
Nichts hatte auf eine Sepsis oder ähnliche Komplikationen hingedeutet, und dennoch war Oma Michalski einfach so gestorben. Organversagen. Ohne Grund. Ohne Sinn.
Das Rattern der U-Bahn, das Stimmengewirr, die Nähe der fremden Menschen ermüdeten Saranea. Die allgemeine vorweihnachtliche Hektik brach über die Stadt herein wie ein Blutsturz über eine Lunge und ließ die Menschen röcheln. Die Krankenschwester hasste das. Weihnachten war am schönsten in der Stille einer einsamen Winternacht. Warum begriffen die Leute das nicht?
Auf dem letzten Stück Fußweg zeigte sich die Stadt noch einmal von ihrer hässlichen Seite. An diesem Nachmittag erschien ihr der Essensgeruch aus den allgegenwärtigen Kebab-Buden noch aufdringlicher als sonst, die Lichter im Schaufenster eines Schnäppchenladens ungewöhnlich grell. Jede Ecke schien heute besonders intensiv nach Urin zu stinken.
Lediglich die Aussicht darauf, sich in wenigen Augenblicken den Kampfergeruch der Station, sowie den Gestank der allgegenwärtigen Armut ihres Wohnviertels bei einer heißen Dusche von der Haut zu schrubben, verlieh der jungen Frau noch Kraft.

Sie hatte die rettenden vier Wände ihrer Simmeringer Ein-Zimmer-Wohnung beinahe erreicht, da schlug der Moloch Wien noch einmal zu. Sie prallte mit jemandem zusammen.
Es handelte sich um einen schlanken Mann. Er trug einen schicken Mantel aus dunklem, englischen Tweed. Eindeutig zu schick für die heruntergekommene Gegend. Dunkles, leicht welliges Haar, blasse Haut. Viel mehr sah sie nicht von ihm, denn er ging einfach weiter, ohne sich nach ihr umzusehen. Was für ein Idiot.
»Oasch!«, brüllte sie ihm aus Prinzip hinterher, aber er verschwand bereits hinter der nächsten Ecke. Von weihnachtlicher Nächstenliebe keine Spur.
Nach der Dusche fiel Saranea ins Bett wie ein Stein, obwohl die Glocke eines nahen Kirchturms erst vier schlug. Der Tag hatte sie erschöpft, und ihre Laune ging mit der Sonne endgültig unter. Sie verkroch sich in ihrem Federbett und schloss die Augen.

Doch ihr Unterbewusstsein schickte sie wieder zurück zum Spital. Sie wusste, dass sie träumte, aber zugleich erschien alles seltsam real. Sie ging durch die bekannten Flure, zog sich um, verrichtete ihre Arbeit. Noch vor dem ersten Kaffee klingelte es im Schwesternzimmer. Außer ihr war gerade niemand im Raum, an den sie die Arbeit abschieben konnte. Das Klingeln hörte nicht auf und verfolgte sie selbst dann noch, als sie schon über den Flur zum Patientenzimmer lief. Zimmer 7. Oma Michalski. Saranea sprintete die letzten Meter. Die Tür klemmte aus irgendeinem Grund. Erst beim dritten Ruck gab das Türblatt nach, und Saranea stürzte mehr in den Raum, als dass sie ihn betrat.
Oma Michalski lag im Bett. Aber da war noch jemand im Raum. Jemand saß am Bett der Patientin mit dem Rücken zu ihr. Er trug weiße Kleidung wie ein Pfleger. Also hatte schon jemand auf das Klingeln reagiert. Aber es war kein Pfleger von der Station. Sie sprach ihn an, doch er wandte sich nicht um.
Plötzlich stöhnte Oma Michalski auf. Das Stöhnen ging in ein Röcheln über. Die Gestalt am Bett versteifte sich. Saranea machte einen Schritt auf den Fremden zu. Im gleichen Moment nahm sie aus dem Augenwinkel eine Bewegung wahr und fuhr herum. Ein Schatten huschte über die mit weißem Putz versiegelte Wandoberfläche. Der Schatten hatte grob menschliche Form. Er hatte in der Ecke gelauert. Nun richtete er sich auf und wuchs bis zur Zimmerdecke. Saranea öffnete den Mund, doch es kam kein Wort hervor.
Noch einmal erklang Oma Michalskis hilfloses Stöhnen. Das Klingeln setzte erneut ein. Es dröhnte in Saraneas Ohren. Sie wandte sich wieder dem Bett zu, doch der fremde Pfleger war verschwunden. Das Klingeln verwandelte sich in jenes hohe langgezogene Tuten, das in Krankenhausserien stets das Ende eines Lebens markierte. Oma Michaelski lag reglos da, ihre Haut war äschern, der Körper aufgedunsen. Plötzlich stank es nach Fäulnis und Verwesung. Die Augen der Alten waren geöffnet, ihr starrer Blick ging ins Leere. Dennoch schien er gleichsam auf Saranea gerichtet. Warum, fragte wispernd eine heisere Stimme. Dann setzten weitere Stimmen ein. Ein flüsternder Chor. Warum? Warum? Warum?
Saranea erwachte schweißgebadet und fror zugleich. Die Luft im Schlafzimmer war klamm und abgestanden.
Sie fühlte ihren Puls. Leicht erhöht, sonst aber in Ordnung. Der Wecker zeigte erst wenige Minuten nach 17 Uhr. Sie hatte kaum eine Stunde geschlafen. Ein bitterer Geschmack hatte sich in Saraneas Mund breitgemacht. Sie spülte ihn im Bad mit Mundwasser fort. Dann tastete sie sich ab, prüfte ihre Temperatur. Alles war unauffällig. Keine geschwollenen Lymphknoten, kein Schwindel und keine erhitzte Stirn. Nichts deutete auf einen Infekt hin.

Der Schlaf hatte keine Erholung gebracht, aber nach diesem seltsamen Traum war ihr die Ruhe erst einmal vergällt. Sie duschte erneut, zog sich an und wollte sich einen Kaffee machen. Doch ertappte sie sich dabei, wie sie ins Leere starrte. Sie konnte sich nicht aufraffen, die Kaffeemaschine zu bedienen.
Einer jähen Eingebung folgend, schlüpfte sie in bequeme Schuhe, schnappte sich ihre Jacke und ihre Handtasche und verließ die Wohnung.

Das Schwesternzimmer auf Station Drei des Skt. Andreas Spitals war ganz anders als die perfekt aufgeräumten Zimmer in den vielen Serien, die all abendlich über die Bildschirme der Nation flackerten. Fremde wären sicher über das Maß an Unordnung, das in der Realität der gehetzten Arbeitswelt herrschte, erstaunt gewesen. Von klinischer Reinheit keine Spur.
Um diese Zeit des Jahres waren die Arbeitsplätze zugepflastert mit Aktenstapeln, gelben Klebezetteln mit privaten Einkaufs- und Geschenkelisten und benutzten Kaffeebechern, die so lange dort standen, dass sie schon fast als eigene Schimmelkultur durchgehen konnten.

Saranea setzte sich an den nächstbesten Computer und rief die Akte Michalski, Susanne auf.

Der Arzt hatte Organversagen durch septischen Schock als Todesursache verzeichnet. Saranea runzelte die Stirn. Die Akteneinträge sahen vollkommen korrekt aus, aber das Krankheitsmuster passte nicht. Die Todesursache stand natürlich außer Frage. Doch es war ein Rätsel, was die Blutvergiftung verursacht hatte und ebenso, was eine so krasse Reaktion wie diesen Schock mit anschließendem Versagen sämtlicher innerer Organe veranlasst hatte.
Die Frau hatte kein Katheter gehabt, keine Sonde, nicht einmal eine Infusion. Der kleine Eingriff zuvor war problemlos und völlig unauffällig verlaufen. Hatte man sie aufgrund eines Fehlers falsch medikamentiert? Aber eine allergische Reaktion hatte der untersuchende Arzt nicht feststellen können. Es blieb ein Rätsel.
Die Station summte wie ein Bienenstock vor Nervosität. Unausgesprochene Vorwürfe zeigten sich in bedeutungsschweren Blicken. Vermutungen wurden hinter vorgehaltener Hand getuschelt. Wer hatte den Fehler gemacht? Die Anwälte des Spitals saßen wahrscheinlich schon in Lauerstellung für den Fall, dass die Angehörigen Alarm schlugen.
Die Tür des Schwesternzimmers öffnete sich, und die Oberschwester rauschte hinein. Mit der professionellen, gelassenen Eile einer langjährigen Krankenschwester bediente sie sich am Kaffeeautomaten. Dann fiel ihr Blick auf Saranea.

»Was machst du denn hier? Hast du nicht eigentlich frei? Du bist doch erst für den Nachtdienst eingetragen.«
Saranea hob die Achseln. »Ich hatte etwas vergessen«, log sie. »Bin gleich wieder weg.«

Ein wissender Ausdruck huschte über das wettergegerbte Gesicht der Oberschwester. »Die Michalski lässt dich nicht los, was?«

 Ihre Lippen kräuselten sich zu einem Ausdruck ehrlicher, aber zugleich vager Anteilnahme. »Mach dir keine Sorgen, du hast alles ordentlich dokumentiert. Dir kann niemand was. Auch sonst hat sich unsere Abteilung nichts zu Schulden kommen lassen. Da muss die OP-Nachsorge Mist gebaut haben.«
»Das ist es nicht.«

 Saranea hob die Schultern. »Ich fühle mich nicht schuldig. Es kommt mir nur so sinnlos vor. Sie war so nett und so …«, sie zögerte und suchte lange nach dem richtigen Wort, »… lebendig.«
Die Oberschwester nickte. »Es ist hart. Besonders so kurz vorm Fest. Aber dann wiederum …« Sie nippte an ihrem Kaffee und blickte zum Fenster, als könne sie dort draußen in der nachtschwarzen Dunkelheit des Winterabends die Wahrheiten der Welt erkennen. »Im Winter wird immer mehr gestorben«, fuhr sie schließlich fort. Dann beendete sie das Gespräch mit: »Mach dir keinen Kopf. Wir können es doch nicht ändern.«

Danach leerte sie den Kaffeebecher in einem Zug und war schon wieder auf dem Sprung. »Ach ja«, sagte sie beiläufig über die Schulter hinweg. »Ein Neffe der Michalski ist hier und will ihre Sachen abholen. Die Polizei wird keine Untersuchung machen, daher kannst du sie ihm auch aushändigen. Übernimmst du das gerade? Ich muss gleich noch eine Sauerei in der Acht aufwischen.«

Saranea nickte.
Wenig später übergab sie am Eingang der Station eine lederne Reisetasche mit den Habseligkeiten der Verstorbenen an einen jungen, gutaussehenden, vielleicht etwas zu blassen Mann. Er stellte sich als Georg Zamis vor, sagte aber darüber hinaus nicht viel und wirkte erstaunlich gefasst. Seine Augen musterten sie kühl. Eine Aura der Unnahbarkeit umgab ihn, was seiner Attraktivität jedoch keinen Abbruch tat. Ganz im Gegenteil. Und er kam Saranea vage bekannt vor.
Erst einige Minuten, nachdem er gegangen war, wusste sie warum. Er erinnerte sie an den Idioten, der sie vor ihrer Wohnung fast umgerannt hatte. Und an den Pfleger in ihrem Traum.
Die junge Krankenschwester spürte, wie die Macht der Erkenntnis ihr kalt den Rücken herunter kroch. Ein Teil von ihr war davon überzeugt, dass dieser Kerl etwas mit dem Tod der Michalski zu tun hatte. Ein anderer Teil von ihr ärgerte sich über so viel Aberglauben.

Unsinn, du bist nur übermüdet, versuchte sie sich einzureden. Du bist überreizt. Das ist alles.

Aber der Zweifel blieb und nistete sich in ihrem Kopf ein. So etwas ist doch schon einmal passiert, wisperte eine innere Stimme. Genau so ein Fall. Du musst dich nur erinnern.

Saranea trat ins Treppenhaus, fest entschlossen, nach Hause zu gehen und es noch einmal mit Schlaf zu versuchen, bis ihre neue Schicht begann. Die Umstellung von einer Schicht auf eine andere war nie einfach, und Schlaf war bitter nötig. Aber dennoch fand sie sich wenige Minuten später im hauseigenen Archiv an einem kleinen grauen Schreibtisch wieder.
Metallregale voller dicker, schwarzer Ordner pflasterten die Wände, ein billiger Weihnachtsbaum aus Plastik versagte in der Zimmerecke beim Versuch, weihnachtlichen Glanz in die Tristesse des kahlen Büroraums zu bringen. Auf dem Schrank starb eine Grünlilie einen einsamen Tod.
Das einzig Heitere an diesem von der Zeit vergessenen Ort war eine Kette aus 24 OP-Handschuhen, die jemand wie eine Girlande vor dem einzigen, kleinen Fenster des Zimmers aufgehängt hatte. Die Handschuhe waren durchnummeriert. Die Nummern 20 bis 24 waren mit Süßigkeiten gefüllt. Irgendjemand schien den Archivar zu mögen. Das war aber auch nicht verwunderlich. Der freundliche ältere Herr hatte ihr sofort seine Hilfe angeboten, falls sie irgendetwas über die Registratur und die Benutzung des Archivs wissen wollte.

Saranea hatte dankend abgelehnt und sich zunächst mit einem Computerarbeitsplatz begnügt. Dann ging sie die Akten der Verstorbenen nach Todesdatum durch. Sie warf in jede Akte einen Blick, studierte Todesursache und Krankheitsgeschichte, bis ihre Augen vom Starren auf den Bildschirm schmerzten.
Irgendwann riss sie ein leises Räuspern aus der Parade des Niedergangs. »In einer halben Stunde habe ich Dienstschluss«, erklärte der Archivar verlegen. »Dann schließe ich normalerweise ab.«

Saranea nickte und wandte sich wieder dem Monitor zu. So wurde das alles nichts. Ihr musste noch etwas Konkreteres einfallen. Sie durchforstete ihre Erinnerung. Was war das für ein Fall gewesen, an den Oma Michalskis Tod sie erinnert hatte? Wo hatte die Ähnlichkeit gelegen? Schließlich tauchte undeutlich eine Szene aus dem Strom des Vergessens auf. Sie hatte ebenfalls am Computer gesessen und eine Akte ausgefüllt. Und das Radio hatte irgendein Lied gespielt, das ihr furchtbar auf die Nerven gegangen war. Irgendein bekannter Schlager. Wie ging der doch gleich? Halblaut summte Saranea die Melodie. Als sie sie erkannte, wurde ihr kalt. Last Christmas …

Ein Weihnachtslied. Also war auch der andere Fall in der Weihnachtszeit passiert. Hastig klickte sie sich zum Dezember des Vorjahres. Schon nahm die Anzahl der zutreffenden Datensätze drastisch ab.
Nun dauerte es keine zehn Minuten, bis sie die gesuchte Akte gefunden hatte. Septischer Schock. Mit Organversagen. In der Nacht vom 19. auf den 20. Dezember. Je weiter sie sich durch den Text arbeitete, umso klarer wurde ihre Erinnerung.
Letztes Jahr war es ein Mann von 34 Jahren gewesen. Er war wegen einer Blasenspiegelung gekommen und nicht wieder gegangen. Genau wie die alte Dame hatte er aus dem Nichts einen unerklärlichen, septischen Schock erlitten und war mitten in der Nacht verstorben. Sie hatte damals ebenfalls Schicht gehabt, aber nichts bemerkt. Es war still und leise in der Naht geschehen, und es hatte zuvor keinerlei Anzeichen gegeben. Die Einträge in der Krankenakte waren leider nicht hilfreicher als die Akte Michalski.

Der Archivar wurde langsam unruhig. Er rutschte auf seinem Stuhl hin und her und räusperte sich erneut.
Saranea wollte die Akte gerade schließen, da fiel ihr plötzlich ein bestimmter Name ins Auge. Ein Name, den sie heute schon einmal gehört hatte.
Georg Zamis. Ein Mann genau dieses Namens hatte auch damals die persönlichen Sachen abgeholt. Schon komisch, dass er zwei tote Verwandte hatte, die praktisch im Jahresabstand an der gleichen mysteriösen Ursache verstorben waren.
Einer Eingebung folgend, besah sie sich auch die folgende Akte. Sie war am Tag danach ausgestellt worden und betraf niemanden, der auf Station gelandet war. Aber in der Nacht des 20. Dezembers 2015 war ein Junkie in die Notaufnahme gebracht worden. Septischer Schock. Man hatte eine verunreinigte Nadel als Ursache vermutet. So weit so erklärbar, wäre da nicht das Detail gewesen, dass kurz nach seinem Tod jemand die Besitztümer des Junkies abgeholt hatte. Laut Akte sein Bruder. Ein gewisser Georg Zamis.
»Brauchen Sie noch?«, fragte der Bibliothekar verhalten.
»Nicht mehr lange«, versicherte sie ihm. »Versprochen.«

Dabei hatte Saraneas Suche gerade erst angefangen. Sie klickte sich zu den Akten vom Dezember 2014 durch. Bald glaubte sie, ein Muster zu haben. Es geschah bereits seit Jahren. Und es gab immer zwei Tote. Die Fälle ereigneten sich stets an zwei aufeinanderfolgenden Tagen kurz vor Weihnachten. Das erste Opfer starb immer auf einer Station, und einen Tag später erwischte es jemanden auf der Straße. Und die Todesursache war jedes Mal komplettes Organversagen. Der Name Georg Zamis zog sich wie ein Todesbote durch die Berichte. Dieser Kerl tauchte immer pünktlich auf, um sich als Angehöriger auszugeben. Und aus irgendeinem Grund schien das nie aufgefallen zu sein.
Inzwischen hatte der Archivar seine Tasche gepackt. »Ich muss jetzt wirklich los.«

Saranea schloss die Dokumente und erhob sich. Für den Moment hatte sie genug herausgefunden.

Als sie die Klinik zum zweiten Mal an diesem Tag verließ, blies ihr der Dezemberwind seinen eisigen Atem ins Gesicht. Sie flüchtete in ein nahe gelegenes Café.
Das Lokal war klein und hell. Die breiten Tische hatten eine edel wirkende Glasoberfläche, die Stühle schienen auf den ersten Blick zusammengewürfelt, ein Sammelsurium aus Ledercouches, antiken Holzstühlen und orientalischen Sitzkissen. Doch wenn man genau hinsah, war nichts davon alt. Die Möbel waren lediglich auf alt getrimmt.
Über dem dunklen Tresen prangte eine Liste mit verschiedenen Kaffeesorten, die in diversen Zubereitungsformen mit und ohne Aroma angeboten wurden. Es roch appetitlich und zugleich langweilig. Solche Läden waren in den letzten Jahren wie Pilze aus dem Boden gesprossen. Fastfood für Leute, die sich für Fastfood zu schick waren. Auch die hippe Einrichtung erinnerte in ihrer Beliebigkeit an eine Mischung aus Bäckerei und Barista. Das war ein Ort, an dem Studenten und Leute, die sich jung fühlen wollten, einen veganen Latte macchiato bestellten, um dann ein Foto davon auf Instagram hochzuladen. Aber wenn man in Simmering zwischen einer Spielhalle und einer Autowerkstatt lebte, besaßen solche Tempel urbaner Scheinkultur eine große Anziehungskraft.
Die Wärme des Cafés umfing Saranea nicht, sie schlug ihr entgegen. Jäh kehrte die Erschöpfung zurück, die sie nach ihrem gescheiterten Nachmittagsschlaf empfunden hatte. Sie bestellte sich einen überteuerten Espresso und suchte nach einem freien Platz. Alle Tische waren belegt, bis auf einen in der hintersten Ecke des Lokals. Saranea erreichte den Tisch zeitgleich mit einem anderen Gast. Ein schlanker junger Mann legte gerade seinen Mantel über die Lehne eines Ohrensessels.
Dann bemerkte er sie, wandte sich um und lächelte leicht. Saranea erstarrte. Es konnte doch unmöglich schon wieder dieser Kerl sein. Das ging nicht mit rechten Dingen zu! Erst vor ihrer Wohnung, dann im Spital und nun hier? War Georg Zamis denn überall? Oder verfolgte er sie? Der Gedanke ließ ihre Hände zittern.
Er schien von dem Drama, das sich in ihrem Inneren abspielte, nichts mitzubekommen. »Hoppla«, sagte er nur und nahm ihr den Espresso aus der Hand. »Sie frieren ja.«
Artig stellte er das Getränk ab, dann deutete er auf den Ohrensessel. »Bitte«, sagte er, während er seine Jacke fortnahm und es sich stattdessen auf einem Sitzkissen bequem machte. »Wir können uns den Tisch ja teilen, wenn Sie nichts dagegen haben.«

Sie wusste, dass das jetzt der Punkt war, an dem man normalerweise etwas antwortete, aber ihre Lippen bewegten sich nicht.
Im Licht des Cafés wirkten die Augen des jungen Mannes seltsam farblos und dunkler, als Saranea sie in Erinnerung hatte. Seine Mundwinkel hoben sich zu einem schmalen Lächeln. Er erinnerte sie an ein Raubtier, das seine Beute erspäht hatte.
Sie wollte fliehen. Die Kälte der Straße war immer noch besser als er. Doch ihr Körper gehorchte ihr nicht. Stattdessen sackte sie in den Sessel und versank fast darin.

Erst nach einer halben Tasse Espresso fand sie ihre Sprache wieder. »Sie haben Ihre Tante sicher gut gekannt«, stammelte sie schließlich, um überhaupt etwas zu sagen.
Das unbestimmte Lächeln schwebte noch immer auf seinen Lippen. »Ich war sehr lange im Ausland. Daher war unser Kontakt in den letzten Jahren leider gering.«
»Aber an ihre Vanillekipferln erinnern Sie sich bestimmt noch.«

 Saranea bemühte sich, überzeugend beiläufig zu klingen. Aber sie beobachtete ihr Gegenüber genau. Oma Michalski hatte stets von ihren geliebten Buchteln gesprochen. Wenn dieser Georg wirklich ihr Neffe war, dann musste er sie nun korrigieren.

Er aber schwieg, stützte das Kinn in die Hand und musterte sie forschend, als wolle er in ihren Geist eindringen. Sein Lächeln wuchs in die Breite, doch seine Augen verengten sich zu kleinen Schlitzen.
Sie erwiderte seinen Blick und begriff. Er wusste es. Er wusste, dass sie ihn testen wollte. Vielleicht wusste er sogar über ihre Nachforschungen Bescheid.
»Du bist mir auf der Spur«, murmelte er. »Folge mir, und ich werde dir die Antwort auf deine Fragen zeigen.«

Die Art, wie er sprach und wie er sie ansah, ließ sie erschauern. Sein Lächeln war unergründlich, sein Blick bezwingend. Ihr Herz schlug bis zum Hals. Er sah so gut aus. Plötzlich war da eine starke Anziehung zwischen ihnen, die ihr zu Kopf stieg wie süßer Sekt. Zugleich jagte ihr dieser Mann eine tiefe Furcht ein, die ihr den Atem nahm und sie zittern ließ. Sie kam sich vor wie eine Maus, die der Schlange ins hypnotische Auge sah.
Er war tatsächlich ein Raubtier. Langsam, wie in Zeitlupe, streckte er die Hand aus, um ihre Wange zu berühren. Ein Teil von ihr sehnte sich nach der Berührung, ein anderer Teil wollte flüchten. Ans andere Ende der Stadt. Aber sie hockte wie gelähmt in ihrem Sessel. Sein Blick hatte sie gänzlich gefangen genommen.
»Komm mit mir.« Seine Stimme erinnerte an das leise Gluckern eines Flusses. »Und du wirst verstehen.«
In diesem Augenblick bemerkte Saranea, dass ein Gendarmeriewagen vor dem Café hielt. Zwei Gendarmen stiegen aus und betraten das Lokal. Der Anblick der Uniformen brach den Bann, den der geheimnisvolle Fremde über sie geworfen hatte. Plötzlich war er nur noch unheimlich. Sie sprang auf und flüchtete.
Es waren nur ein paar Schritte bis zum Tresen, wo die beiden Beamten gerade Kaffee orderten. Einer wandte sich zu Saranea um. Sie sagte ihm, dass sie verfolgt wurde. Vor Aufregung verhaspelte sie sich ein paarmal, aber schließlich verstanden die beiden Gendarmen. Sie zeigte zu ihrem Tisch, doch der war leer. Niemand war in der letzten Minute hinausgegangen, und doch fehlte von Georg Zamis jede Spur.
Die Beamten waren überzeugt, es mit einem Beziehungsstreit zu tun zu haben. Saranea machte sich nicht die Mühe, sie zu verbessern. Der ganze Auftritt war ihr peinlich genug. Sie wusste nicht, wie sie die eigenartige Angelegenheit überhaupt glaubhaft erklären konnte. Die beiden mussten sie doch für eine Spinnerin halten.
Immerhin brachten sie sie mit dem Streifenwagen nach Hause und bis zu ihrer Wohnung. Zum Abschied gaben sie Saranea den Hinweis, niemanden hineinzulassen und die Polizei zu rufen, falls ein Ex-Freund oder Verehrer Ärger machte. Damit war für die Beamten die Angelegenheit erledigt.
Für Saranea begann sie erst richtig. Grübelnd tigerte sie in ihrer Wohnung auf und ab. Weil sie Hunger hatte, öffnete sie eine Dose mit gebackenen Bohnen. Die schmeckten seltsam fade, aber sie hatte keine Lust, sich etwas Anständiges zuzubereiten. Überhaupt hatte sie in den letzten Tagen weniger Hunger als sonst. Es musste wohl am Stress liegen.

Sie wälzte die Fakten hin und her, aber die Ereignisse blieben verworren. Schließlich gönnte sie sich noch etwas Schlaf bis zur Nachtschicht. Zuvor überprüfte sie zweimal, ob die Wohnungstür abgeschlossen war.

Der Traum wiederholte sich. Wieder stand sie an einem Krankenbett, darin lag ein Patient. Der junge Mann vom letzten Jahr. Er schlief. Ein dunkler Schatten hockte wie eine unförmige schwarze Wolke auf seiner Brust. Schattenhände glitten über seinen Brustkorb und seine Kehle, hinauf bis zum Mund, dann fuhren sie in ihn hinein. Der junge Mann erwachte und begann zu zucken. Sein Mund war zum Schrei aufgerissen, doch er brachte nur ein klägliches Wimmern hervor. Eine schwarze Substanz füllte seinen Mund und schien sich wie eine Schlange durch seinen Körper zu bewegen. Saranea konnte genau erkennen, wie sich der Hals ausbeulte, dann hob sich der Brustkorb und schwoll an. Der Mann röchelte erstickt. Die Zuckungen wurden schlimmer. Sein Brustkorb blähte sich auf, während der Schatten zwischen seinen Lippen verschwand. In diesem Augenblick glich die unförmige Masse schwarzem, dickflüssigen Teer.

Schließlich erstarben die Zuckungen, und der junge Mann lag reglos. Saranea trat ans Bett. Mechanisch nahm sie seine schlaffe Hand und fühlte nach einem Pulsschlag, von dem sie bereits ahnte, dass er nicht mehr vorhanden war.
Als sie die Hand des Patienten sanft zurück auf die Matratze gleiten ließ, hatte der junge Mann sich verwandelt. Sein wächsernes Gesicht glich dem von Georg Zamis. Er schlug die Augen auf. Sie waren starr und schienen sie dennoch zu sehen. Saranea zuckte zurück.

Sein Mund bewegte sich wie mechanisch. »Folge mir«, flüsterte er heiser. »Folge mir …« Dann ging das Flüstern in ein anderes über. Die Stimmen waren zurück. Mit der ewig gleichen, drängenden Frage. Warum? Warum? Warum?

Als Saranea erwachte, war ihr Shirt durchgeschwitzt. Und ein süßlicher Geschmack, wie von Blut, machte sich in ihrem Mund breit. Sie hatte sich während dieser erneuten Heimsuchung in die Wange gebissen. Sie wunderte sich, dass sie im Traum kein einziges Mal geschrien hatte. Dann war es bereits Zeit aufzustehen und den Nachtdienst anzutreten.

Die Nachtschicht verging ereignislos. Instinktiv wartete Saranea auf ein Klingeln wie in ihrem ersten Traum, aber es kam nicht. Einmal ging sie aus purer Nervosität die Zimmer ab und warf in jedes einen Blick, doch alle Patienten schliefen ruhig und friedlich. In dieser Nacht machte nicht ein einziger Patient Ärger. Alle schienen von Albträumen befreit. Dennoch war sie froh, als kurz vor sechs die Frühschicht zur Ablösung kam.

Kaum hatte sie die Station übergeben, eilte sie zum Notfallzentrum. So früh am Morgen war dort noch nichts los. Ein junger Sanitäter, der wie ein Surfer gebaut war, hatte gerade Schichtschluss. Er lud sie zu einem Kaffee im Aufenthaltsraum ein. Sie plauderten eine Weile. Er versicherte ihr, dass in der Nacht nichts Ungewöhnliches geschehen war. Nach ein paar Augenblicken gab er ihr seine Nummer. Über Weihnachten besuchte er seine Familie, aber danach wollte er sie gern wiedersehen. Er deutete sogar an, dass er an Silvester mit ihr ausgehen wollte. Sie sagte nicht nein.
Aber da sie zwischen ihren Schichten kaum geschlafen hatte, merkte sie nun doch, wie die Müdigkeit sie einholte. Sie verabschiedete sich gähnend.
Er lächelte zum Abschied. Es war ein ehrliches, warmes Lächeln. Sie fand es schön. Es wärmte ihr Herz.
Doch dann schlug die Müdigkeit zu und ließ sie fast taumeln. Aus irgendeinem Grund konnte er sie aber nicht zur U-Bahn begleiten.
Sie riss sich zusammen. Das letzte Stück bis nach Hause schaffte sie ja wohl auch allein. Als sie die Notaufnahme durch einen Nebeneingang verließ, stand jemand an die nächste Straßenlampe gelehnt. Ein großer schlanker Mann, mit dunklem Haar und einem langen, englischen Mantel. Er sah zu ihr herüber und lächelte unergründlich. Sie erkannte ihn und beschleunigte ihre Schritte.

Die letzten Meter zur U-Bahn-Station rannte sie beinahe. Aber wider Erwarten folgte er ihr nicht. Dennoch überkam sie eine eigenartige Ahnung, dass jemand sie beobachtete.

Zuhause mied sie das Bett, das zum Schauplatz bizarrer Visionen geworden war, sondern setzte sich lieber auf die Couch. Sie schaltete alle Lichter an und ließ das Frühstücksfernsehen dudeln, bekam aber keinen einzigen Beitrag mit. Stattdessen starrte sie nachdenklich vor sich hin, bis der Schlaf sie schließlich übermannte.
Doch er währte nicht lange. Sie schlug die Augen auf, konnte aber nur Schemen erkennen. Sämtliche Lampen waren aus. Der Fernseher war noch an, zeigte aber nur graues Rauschen. Plötzlich wurden die Schatten länger. Sie kamen aus den Ecken gekrochen und glitten auf Saranea zu.
Das Rauschen des Fernsehers schien Stimmengewirr zu enthalten. Ein Flüstern wie von einem wahnsinnigen Chor. Warum? Warum? Warum?

Ein sich wiederholendes Summen durchbrach das heisere Raunen. Plötzlich waren die Lampen wieder an, und im Fernsehen lief ein Beitrag über die schönsten Tiroler Weihnachtsbräuche. Sie musste geschlafen haben. Alles nur ein Traum. Saranea seufzte erleichtert. Der Türsummer hatte sie geweckt. Jemand drückte ausdauernd auf die Klingel.

Sie sprang auf, hastete zur Wohnungstür und betätigte die Gegensprechanlage. Aber ihr Besuch war schon im Haus. Denn nun klopfte es zusätzlich an der Tür.

Nicht schon wieder dieser Kerl! Saranea spähte durch den Spion. Der Blick offenbarte ihr zwei Uniformierte. Ein Mann und eine Frau. Gendarmen.
Vorsichtig öffnete sie die Tür einen Spalt. »Ja?«

Die Polizistin sprach Saranea mit Namen an, bat sie um ein Gespräch und beruhigte sie gleichzeitig, dass es nichts zu befürchten gebe. Sie wollten nur ein paar Informationen.

Mit dem Reflex des braven Bürgers bat Saranea die beiden ins Wohnzimmer.

Der Bericht der Gendarmen trieb ihr die Tränen in die Augen.

»Es tut uns leid, dass wir das alles fragen müssen.« Mitleidig reichte ihr die Polizistin ein Taschentuch. »Aber Sie sind die Letzte, die ihn lebend gesehen hat. Gab es irgendwelche Anzeichen, dass es ihm nicht gut ging?«

Saranea schnäuzte sich und schüttelte den Kopf. Sie unterdrückte ein aufsteigendes Schluchzen. »Er war so nett. So freundlich. So lebendig.«

 Trotz allem kam das Weinen doch heraus. Die Polizisten unterbrachen das Gespräch mitfühlend.
»Wir wollten uns an Silvester treffen«, brachte Saranea schließlich schluchzend hervor. Hinter ihren Schläfen machte sich ein pochender Schmerz breit. Ein leichter Schwindel griff nach ihr. »Er hat mir seine Nummer gegeben«, fuhr sie fort. »Wir haben uns nur ein bisschen unterhalten. Dann bin ich nach Hause gegangen. Er wollte in den Weihnachtsurlaub.« Sie schluchzte wieder.

Die Beamtin reichte ihr ein weiteres Taschentuch. »Wir haben hier einen Bericht von gestern vorliegen. Er besagt, dass Sie angegeben haben, verfolgt worden zu sein.«
Saranea nickte schicksalsergeben. Jetzt kamen die Gendarmen damit zu spät. Dieser Georg hatte wieder zugeschlagen. Aber warum hatte es der nette Sani sein müssen? War das eine Warnung an sie?

»Sie zögern« , stellte der Gendarm fest. »Gibt es da etwas, dass Sie uns sagen möchten?«

Saranea schüttelte den Kopf. Georg Zamis war wie ein Geist. Das hatte sie im Café gelernt. Solange ihn niemand außer ihr sah, waren alle ihre Hinweise umsonst. Und nun nutzte eine Untersuchung auch nichts mehr. Die Beamten würden ihr die ganze Geschichte doch eh nicht glauben. Schließlich hatte es bei den früheren Fällen auch keine Untersuchungen gegeben. Nachher behaupteten sie noch, dass sie etwas mit der ganzen Sache zu tun hatte. »Es ist nichts«, log sie. In diesem Augenblick reifte ein Gedanke in ihrem Geist. »Gibt es denn nichts auf den Überwachungsbändern?«

»Nun, dazu wollten wir gerade kommen.«

 Der Beamte zückte sein Smartphone und startete ein Video.
Es zeigte den Flur vor dem Aufenthaltsraum der Notaufnahme. Eine Uhrzeit lief mit.
Das Video zeigte sie, wie sie über den Flur lief und den Sanitäter traf. Wie sie beide sich unterhielten und dann schwatzend im Aufenthaltsraum verschwanden.
Kurze Zeit später ging noch jemand über den Flur. Jemand, der dort nicht sein sollte. Jemand in einem schwarzen Tweedmantel. Er sah kurz zur Kamera hoch. Dann wurde das Bild schwarz.
»Sehen Sie, das hat uns stutzig gemacht. Dieser Mann scheint die Kamera abgeschaltet zu haben. Jedenfalls hat die Kamera danach eine halbe Stunde lang nichts mehr aufgezeichnet. Nach diesem Ausfall hat sie ihren Betrieb scheinbar wieder aufgenommen.«

»In diesem Zeitraum muss der Tod eingetreten sein«, ergänzte die Polizistin. »Deswegen sieht man Sie auch nicht mehr herausgehen. Von ihnen haben wir erst wieder ein Bild, als Sie in der Nähe des Haupteingangs ziemlich eilig in Richtung U-Bahn gelaufen sind.«

Saranea hob die Schultern. Ihr wurde kalt. »Ja ich hatte es eilig«, gab sie zu. »Ich habe ihn beim Rausgehen gesehen.

»Wen? Den Mann im Mantel?«

Sie nickte und erzählte nun doch von der unheimlichen Begegnung. Auch von dem Treffen im Café und seinem mysteriösen Verschwinden. Und schließlich, nach einigem Zögern, von ihren Beobachtungen und den unerklärlichen Todesfällen der letzten Jahre.
Die Beamtin notierte eifrig jede Einzelheit in ein kleines schwarzes Notizbuch.

»Wir wissen noch nicht, ob es sich wirklich um eine Serie oder überhaupt um Morde handelt«, erklärten die beiden schließlich. »Und wir kennen auch die Identität dieses Fremden nicht. Aber wir bleiben an der Sache dran. Da können Sie sicher sein.«
Saranea nickte benommen.

Als die Beamten endlich gegangen waren, erschien Saranea die Stille ihrer kleinen Wohnung bedrückend. Sie hatte für die Beamten den Fernseher ausgeschaltet und brachte nicht die Kraft auf, ihn wieder anzumachen. In der Weihnachtszeit wurde es immer still um sie. Sie hatte das bisher auch so gewollt. Wenn Weihnachten laut war, war es hässlich.

An das Waisenhaus, wo sie die ersten Jahre ihres Lebens verbracht hatte, erinnerte sie sich kaum. Sie wusste nur, dass sie sich dort nie auf Weihnachten gefreut hatte. Und auch die wechselnden Pflegefamilien boten ihr keine guten Erinnerungen. Oft hatte es an Weihnachten Stunk gegeben. Einmal furchtbare Tränen. Ihre Pflegeschwester hatte Rotz und Wasser geheult. An den Grund konnte sich Saranea nur vage erinnern. Eine Puppe war verloren gegangen und am Ende hatten alle Saranea so komisch angesehen. Mit einem vorwurfsvollen Ausdruck. So als ob sie die Puppe gestohlen hatte. Kurz danach war sie zu einer anderen Familie gekommen. Mittlerweile war sie froh, an Weihnachten ihre Ruhe zu haben. Dann hatte sie Zeit, dem Tanz der Schneeflocken zuzusehen. Falls es mal Schnee gab. Dieses Weihnachten hatte er sich bisher noch nicht gezeigt. Die Welt war noch immer in tristem Novembergrau versunken.
Trotzdem trat sie zum Fenster und sah hinaus. Es dämmerte. Aber ob es nun Morgen oder Abend war, vermochte sie in diesem Augenblick nicht zu sagen. Wie lange hatte sie auf dem Sofa geschlafen? Der Wecker auf dem Fensterbrett zeigte den 20. Dezember. Kurz vor vier.
Saranea schüttelte den Kopf. Dieser Schichtdienst und der Schlafmangel machten sie fertig. Sie hatte den kompletten Tag schlafend auf der Couch zugebracht. Wenigstens hatte sie jetzt ein paar Tage dienstfrei. Sie übernahm dafür gern den Dienst am 24. und 25. Ihr war das Fest nicht wichtig, und der Feiertagszuschlag besserte ihr Gehalt auf.
Gedankenverloren starrte sie aus dem Fenster. Plötzlich stutzte sie.
Der Gendarmeriewagen wartete immer noch vor dem Haus. Die Gendarmen standen neben dem Wagen und sprachen mit jemandem. Diesen Tweedmantel kannte sie. Saranea durchfuhr es erst heiß, dann kalt.
Der Mann schien mit den Gendarmen zu plaudern. Schließlich griff die Beamtin in ihre Jackentasche und übergab dem Mann im Mantel ein schwarzes Büchlein. Ihr Notizbuch. Außerdem händigten ihm beide Polizisten ihre Smartphones aus. Dann stiegen sie in den Wagen und fuhren davon.
Der Mann, den sie längst erkannt hatte, hob den Kopf und sah hinauf zu ihrem Fenster. Sie schrak zurück. Die nächsten Minuten verbrachte sie zusammengekauert unter dem Fenster, den Rücken gegen die kühle Wand gelehnt. Sie fühlte sich leer, verloren und müde. Und eine innere Stimme sagte ihr, dass dieser Fremde die Macht hatte, sie zu holen. Er würde kommen.

Da war er schon. Schritte auf der Treppe im Hausflur. Sie näherten sich ihrer Wohnung. Gleich würde die Klingel …
Nein! Keine Klingel. Es kam schlimmer. Sie hörte die Klinke knarren, dann kratzte die Tür über den Boden. Er war hier.

Einen Herzschlag später stand er im Eingang zum Wohnzimmer. Er lächelte wieder auf diese seltsam attraktive, unergründliche Art. Aber diesmal wollte sie nur noch schreien.
»Guten Abend, meine Liebe.« Seine Stimme war dunkel wie die heraufziehende Nacht. »Die Thomasnacht bricht an. Ich hole dich zum Tanz.«

Jäh fühlte sie sich an ihren Traum erinnert. Sie wollte um Hilfe rufen, aber kein Ton kam über ihre Lippen. Wie gelähmt hockte sie an ihrem Platz und war nicht imstande, sich zu rühren. Es war, als ob sie keinen eigenen Willen mehr besaß. Denn als er die Hand ausstreckte, ergriff sie sie.

Mühelos zog er sie auf die Füße, legte den Arm um ihre Taille und ging mit ihr davon. Sie folgte ihm, und in diesem Augenblick kam sie sich wie eine Puppe vor, die man mechanisch aufgezogen hatte.
»Du wirst bald alles verstehen«, murmelte er und strich über ihre Schulter. »Bald erkennst du die Wahrheit.«

Saranea fragte sich, ob sie schon wieder träumte. Immerhin gab es keine flüsternden Stimmen. Die nächsten Momente kamen und zogen an ihr vorüber wie ein Film, dem sie nur die halbe Aufmerksamkeit schenkte. Sie stiegen in ein Taxi und fuhren durch die Nacht aus der Stadt heraus. Bei einem Dorf knapp hinter Wien verließen sie das Auto. Dann liefen sie noch eine unbestimmte Zeit lang durch einen dunklen Wald. Schließlich erreichten sie ein altes heruntergekommenes Fachwerkgebäude. Es war längst nicht mehr bewohnt. Eine vergilbte Inschrift über der Tür ließ sich im schwachen Licht des Mondes und der Sterne kaum entziffern. Irgendwas mit Forsthaus? Saranea war zu müde, um darüber nachzudenken. Zu dem Gebäude gehörte ein baufälliger Stall. Sie betraten ihn durch das, was von der Eingangstür noch übrig war. Drinnen schlug ihr der Gestank von Moder und fauligem Holz entgegen. Aber auch eine deutliche Komponente von Angst. Sie verstand nicht, warum sie das alles riechen konnte.
Ihr Begleiter vollführte eine kurze Handbewegung und plötzlich flammten Kerzen auf. Die Lichter bildeten ein Pentagramm auf dem Boden. In dessen Mitte lag jemand. Eine junge Frau. Sie war gefesselt und geknebelt. Der Blick, mit dem sie Saranea anstarrte, verriet Todesangst.
Saranea schlug die Hand vor den Mund. Langsam tauchte sie aus der Trance, die dieser junge Mann über sie geworfen hatte, auf. »Das ist krank!«, stieß sie hervor. »Willst du uns opfern?«
Er lachte dunkel und amüsiert. »Ich?«, fragte er schließlich. Und es klang beinahe zärtlich. »Nein, meine Liebe, ich habe das nur für dich getan. Es ist alles so bereitet, wie du es magst.«

Saranea sah sich um. Tierschädel verschiedenster Art zierten die Wände des Schuppens. Kleine, große – der Raum war voll davon. Es waren sogar einige dabei, die wie Menschenschädel aussahen. Dunkle Höhlen gähnten dort, wo einmal Augen gewesen waren. Beinahe kam es ihr so vor, als schauten sie sie erwartungsvoll an. Im Hintergrund war ein Gebilde aus Knochen zu erkennen. Es sah aus wie eine Art Unterschlupf. Wie eins dieser spitz zulaufenden Tipis, die Kinder im Wald aus Reisig bauten, um darin zu spielen und sich zu verstecken.
Ihr Magen rebellierte. Aber zugleich drängte etwas in ihr zu diesen Knochen und den Schädeln hin. Mit Entsetzen stellte sie fest, dass ihr die Atmosphäre gefiel.
Dann wandte sie sich der Frau im Pentagramm zu. Der Geruch der Angst wurde stärker, klarer.
»Gut so«, raunte Georg. »Es beginnt.«

Hitze stieg in Saranea auf. Sie hatte das Gefühl zu glühen. Darum streifte sie ihre Sachen ab. Und mit jedem einzelnen Kleidungsstück fiel ein Schleier von ihrer Erinnerung.
»Sehr gut«, lobte ihr Begleiter zufrieden. »Es kehrt zurück zu dir. Erinnere dich an all die Male zuvor«, befahl er. Und sie tat es.
Sie sah die Kinder im Waisenhaus, die voller Angst vor ihr wegliefen. Sie sah ihre weinende Pflegeschwester und erinnerte sich nun klar und deutlich daran, was sich damals wirklich zugetragen hatte. Es war nicht um eine Puppe gegangen. Sondern um ihre Pflegemutter. Die Pflegemutter war gestorben. Am 21. Dezember. Organversagen hatten die Erwachsenen später gesagt. Und dann war die Zeit im Spital gekommen. Und immer, wenn die Thomasnacht nahte, folgten die Menschen dem Weg der Sonne und erloschen wie kleine Wachskerzen, die man mit einem Docht auslöschte. Sie waren so lebendig. So herrlich lebendig. Und dann nicht mehr. Dann war sie lebendig. Denn sie, Saranea, war mehr. Mehr als nur ein Mensch. Sie war alle diese Menschen. Alle diese Stimmen. Jeder von ihnen hatte ein Opfer gebracht. Und Saranea nahm es gnädig an. Die Wintersonnenwende war schließlich eine gute Zeit für Geschenke.
Saranea wandte sich zu Georg um. Er lächelte einmal mehr. Aber diesmal erwiderte sie die Regung. Dann nahm sie das nächste Opfer. Es schmeckte köstlich. Besser als ein Weihnachtsbraten.

Das Mahl dauerte nur wenige Minuten. Als Saranea fertig war, rührte sich die junge Frau nicht mehr. Sie war wächsern, wie all die anderen vor ihr. Eine leblose Puppe. Saranea spürte, wie eine bisher unbekannte Kraft in ihr aufwallte.
In diesem Moment zog Georg sie in seine Arme und tanzte mit ihr einen langsamen, sinnlichen Tanz. Seltsamerweise kannte sie alle Schritte, sie ahnte, wie er sich bewegen würde. Zufrieden und gesättigt legte sie den Kopf an seine Schulter.

»Wir kennen uns schon lange, nicht wahr?«, murmelte sie.
»So ist es«, bestätigte er. »Ich warte jedes Weihnachten darauf, dass du dich erinnerst. Ich ringe um deine Aufmerksamkeit, und ich beschütze dich in den Nächten, wenn es beginnt, du aber noch verwundbar bist. Dann passe ich auf, dass dir niemand auf die Schliche kommt.«

»Du hast die Polizei von mir abgelenkt?«, fragte sie schläfrig.
Er nickte. »Ich beeinflusse die Menschen mit meiner magischen Kraft und sorge dafür, dass niemand mehr nachfragt. Und zur Wintersonnenwende hole ich dich zum Tanz.«
»Warum tust du das alles?« Sie hob den Kopf gerade genug, um in seine grauen Augen zu blicken. Lag darin etwa ein Hauch von Zärtlichkeit?

»Weil ich ein Dämon bin, wie du«, gab er zurück.
Sie schwieg überrascht. Das Wort Dämon erschien ihr seltsam und fremd und doch auf eine eigenartige Weise passend.
»Nun schau nicht so«, neckte er sie. Noch immer wiegten sie sich im Takt einer Musik, die nie gespielt wurde. »Du musst es doch mittlerweile begriffen haben. Wir sind beide Dämonen, meine Liebe. Du jedoch bist weit älter als ich.« Er grinste. »Und weit böser. Du bist eine Seelenfresserin. In der Frühzeit der Menschheit wandelten viele von euch über diese Erde. Man gab euch viele Namen. Winterdämonen, Mitterwintersgeister, Menschenfresserinnen oder auch einfach Schatten. Ihr kamt aus der Tiefe. Manche behaupten auch, aus der Dunkelheit inmitten der Milchstraße.«
Seine Stimme war nun sanft und lullte sie ein. Er strich behutsam über ihren Rücken. Und er roch gut. Sein Geruch erinnerte sie an Neumondnächte, an eisklirrende Kälte und vor allem an Schnee.
»Um die Wintersonnenwende«, fuhr er fort, »wenn eure Kraft am stärksten war, kamt ihr aus eurem Versteck hervor und hieltet berauschende Orgien. Vor langer Zeit wurdet ihr jedoch gebannt und in einen Schlaf des ewigen Vergessens versetzt. Nur einige von euch waren zu mächtig. Und diese Wenigen erwachen. Jedes Jahr in der Thomasnacht, zur Wintersonnenwende.«

Er nahm sie fester in den Arm. Sie kuschelte sich in die vertraute Berührung und erinnerte sich, dass sie schon viele Male so eng getanzt hatten. Noch immer streichelte er sie beruhigend.
»Das Erwachen vollzieht sich schrittweise. Du fängst an dich zu regen, du beginnst in den Nächten kurz vor der Sonnenwende, dich zu nähren. Aber du kannst dich noch nicht richtig daran erinnern und vergisst immer wieder.« Er strich ihr übers Haar. »Doch dein Unterbewusstsein will sich erinnern. Deswegen schickt es dir diese Träume. Und du beginnst langsam zu entdecken, wer du wirklich bist. Und wer ich bin. Am Anfang bist du jedes Mal sehr verwirrt. Dann bin ich immer in deiner Nähe, um dich zu begleiten. Und um dich vor dir selbst zu schützen.«
Saranea dachte darüber nach, welche Angst er ihr zuerst gemacht hatte, und musste lachen. Endlich fühlte sie sich frei.

Freudig schlang sie die Arme um ihn. »Diesmal werde nicht wieder einschlafen und auch nicht vergessen«, versprach sie ihm. »Ich bleibe wach und bei dir, und gemeinsam werden wir viele Male tanzen.«

Er hielt inne und sah sie lange an. Dann neigte er den Kopf. »Leider nicht«, wisperte er mit einem Hauch von Bedauern. »Du wirst wieder schlafen.«

»Warum?«

Sie starrte ihn verwirrt an.
Er hob die Hand, wie um ihr übers Gesicht zu streifen, doch stattdessen hielt er ihr einen seltsamen Gegenstand vor die Nase. Er sah wie eine antike, geschmiedete Brosche aus. Darauf prangte ein primitives Sonnensymbol. Sanft drückte Georg ihr die Sonne gegen die Stirn.
Sie spürte, wie ihr Körper schlaff wurde.

»Weil ich derjenige bin, der den alten Zauber stets erneuert.« Georgs Stimme drang wie durch einen Nebel an ihr Ohr. »Denn die Schwarze Familie, meine Familie, muss sich schützen gegen euch. Ihr seid zu mächtig. Hast du etwa gedacht, Menschen wären in der Lage gewesen, euch zu bannen? Generationen von uns haben die Aufgabe übernommen, euch zu bewachen. Wir konnten euch nicht töten, aber wir sorgen schon dafür, dass ihr uns nicht in die Quere kommt. Ich bin dein Hüter. Und nun musst du alles wieder vergessen.«

 

Eine seltsame Benommenheit breitete sich in Saraneas Geist aus. Das klare Denken fiel ihr plötzlich schwer. Georg murmelte seltsame Worte, einen eigenartigen Chant in einer fremden Sprache. Die Worte hatten eine machtvolle, einschläfernde Wirkung. Saranea gähnte.
Das Letzte, was sie hörte, bevor sie einschlief, war Georgs leise Stimme. »Bis zum nächsten Tanz, meine Liebe.«