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Rüdiger Silber hat zu Band 41 von DAS HAUS ZAMIS den Teilroman »Der Dämonenstab« beigetragen. Hier erzählt er nun ein wenig über die Schauplätze seines Romans.
Niemand durfte das Gelände, das hinter der hohen Mauer aus unverputztem Backstein lag, betreten. Einzementierte Glassplitter und zwei Reihen Stacheldraht auf der Mauerkrone sollten unbefugtes Eindringen verhindern. Das Holzportal in der Wiener Schrottenbachgasse, von dem die Einfassung unterbrochen wurde, trug ein auffälliges Schild: „Betreten des Friedhofes aus sicherheitstechnischen Gründen verboten.“ (Rüdiger Silber: DER DÄMONENSTAB, S. 28/29)
DAS HAUS ZAMIS-Exposées (und auch DORIAN HUNTER-Expos, soweit ich da mit bislang erst einem Roman auf dem Buckel schon mitreden darf) lassen dem Autor einen gewissen Freiraum. Abweichungen vom Exposee sind zulässig – im Zweifelsfall nach Absprache mit dem Expo-Autor –, solange die Hauptelemente des Plots und vor allem der rote Faden des Serienexposées erhalten bleiben. So ist zu erklären, dass im ersten Teilroman des DHZ-Bandes Teufelstaufe etliche Ghoule ihren Auftritt haben (obwohl das Expo ghoulfrei ist) und dass in diesem Zusammenhang gleich auf den Seiten 8 bis 48 drei ausführliche Friedhofsszenen auf drei verschiedenen Friedhöfen vorkommen (von denen nur die erste im Expo steht; Uwe Voehl ist nämlich ein viel zu guter Exposée-Autor, um eine der Serienregeln – Vielfalt der Schauplätze! – so eklatant zu missachten). Uwe hat es mir aber durchgehen lassen. Und ich hoffe, auch der Leser wird genügend Abwechslung auf den ersten fünfzig Seiten finden, um dem Autor geneigt zu bleiben.
Gleich die Eröffnungsszene spielt auf dem Wiener Zentralfriedhof. Der ist übrigens keineswegs zentral, sondern am Stadtrand gelegen, aber als der größte und bekannteste Wiener Friedhof ist er ein beliebter Schauplatz der Serie. Es treten auf: Michael Zamis, eine namenlose, geheimnisvolle Dämonin und ein glückloser Frauenmörder. Noch kein Ghoul.
Die dritte und letzte Friedhofsszene spielt in London. Coco Zamis ist auf der Suche nach dem alten Mausoleum der Familie Hunter. Hierzu war ein ehrwürdiger viktorianischer Friedhof erforderlich. Und nein, ich habe nicht den Highgate Cemetery gewählt (der mir nicht ganz geeignet und auch literarisch zu abgenutzt erschien), sondern den Kensal Green Cemetery. In dieser Szene ist Ghoul-Action angesagt.
In der dazwischenliegenden zweiten Friedhofsszene kam es mir vor allem auf Atmosphäre an. Coco sucht den ›Beindlglauber‹ auf, den ältesten lebenden Ghoul Österreichs. Der ist so sehr mit seinem letzten Wohnort verwachsen, dass er ihn nicht mehr verlässt, auch wenn dort schon seit Generationen keine frischen Leichen mehr begraben werden, an denen er sich atzen könnte. Die Wiener Ghoulgemeinde versorgt den Altghoul aus Respekt mit den Früchten der Totenäcker. Hierfür den richtigen Schauplatz zu finden, war nicht ganz einfach, und es hat eine Weile gedauert, bis ich mich festgelegt hatte.
In dem Jüdischen Friedhof Währing in der Wiener Schrottenbachgasse fand ich jedoch die ideale verwunschene Kulisse für die Beindlglauber-Szenen. Ein uralter Friedhof voller verfallener Grüfte und Gräber, von Wildwuchs vereinnahmt, der aufgrund der damit einhergehenden Gefahren nur mit gesonderter Erlaubnis betreten werden darf. Doch leider: was für den Autor einer Grusel-Serie wie ein Geschenk erscheint, ist aus Sicht der jüdische Gemeinde Wiens ein Trauerspiel … und für die Stadt Wien ein Schandfleck. Eröffnet anno 1784, handelt es sich um den zweitältesten Wiener Friedhof. 1880 folgte die Schließung, danach wurden dort keine neuen Bestattungen mehr vorgenommen. 1942 enteigneten die Nazis das Friedhofsgelände und verwüsteten es in den Folgejahren zu großen Teilen. Zudem wurden zahlreiche Grüfte für »Rasseforschungen« geplündert. Bei der Rückgabe nach dem Krieg wurde die Jüdische Gemeinde von der Stadt geprellt, und bis heute hat die Stadt Wien es nicht vermocht, den Jüdischen Friedhof Währing, der mit den Grabplätzen berühmter Wiener und mit den historischen Grabskulpturen zudem ein wichtiges Kulturdenkmal darstellt, einigermaßen wiederherzustellen. So verfällt der Friedhof immer weiter, was zwar dem Dichter des Grauens auf Schauplatzsuche hilft, der Wiener Stadtverwaltung jedoch ein Armutszeugnis ausstellt.
Wer sich gerne ein genaueres Bild von dem atmosphärischen Schauplatz verschaffen will, an dem Coco (allerdings in dunkler Nacht) den Beindlglauber trifft, und Interesse an der Geschichte des Friedhofs hat, dem sei die folgende dreiteilige Friedhofsführung von Tina Walzer empfohlen, der attraktiven Kennerin des Währinger Friedhofs mit ihrem charmantem Wiener Akzent: