„Der Charakter jedes einzelnen Kleckses“

1. November 2016

Liebe Sonderberg-Freunde,

da hat es doch wieder einmal länger gedauert als geplant, bis der letzte Karton ausgeräumt und der letzte Schrank eingeräumt war, weshalb der Oktober-Beitrag leider ausfallen musste … Aber jetzt ist der Umzug vollbracht, und damit soll auch das Sonderberg’sche Büro gewissermaßen wieder in neuem Glanz erstrahlen! Im Beitrag für diesen Monat habe ich etwas verwirklicht, was mir schon länger ein Anliegen war: ein Interview mit der Illustratorin der Sonderberg-Hörspiele, Stefanie Bemmann, zu führen. Und darin gibt es sogar schon einen winzig-kleinen Ausblick auf das, was kommen wird …


Als es seinerzeit darum ging, den „Look“ von SONDERBERG & CO. zu entwerfen, da haben der Layouter und Grafiker Sebastian Hopf und ich uns, beginnend mit einem Kneipengespräch zu dem Thema, sehr viele Gedanken gemacht … und sehr viele Entwürfe hin- und hergespielt … und sehr viele Bilder verschiedener Illustratoren angeschaut, denen aber immer das entscheidende Quäntchen fehlte. Keiner hatte diesen Ansatz, den ich von Anfang an im Kopf hatte: nämlich eine Strichzeichnung, der mit wilden Farbklecksen ein Charakter gegeben wird. Man könnte das vielleicht so formulieren: Nüchternheit und Sachlichkeit, gepaart mit einem emotionalen Ausbruch, der viel Raum für die eigenen Gedanken lässt. – Und dann stieß ich auf die Illustrationen von Stefanie Bemmann (mehr von ihr findet man übrigens auf ihrer Website sb-illustration.de). Und das war es. Genau so sollte SONDERBERG & CO. aussehen …! Was für ein Glück, dass Steffi zusagte, an dem Projekt mitzuwirken. Und was für ein Glück, dass sie im Folgenden Rede und Antwort steht, was genau das bei der Arbeit an jeder einzelnen Illustration bedeutet.


Liebe Steffi, du hast der Sonderberg-Serie mit deinen Illustrationen von Beginn an ein Gesicht gegeben – und das, obwohl man ja nie wirklich ein Gesicht auf den Bildern sehen kann. Wie ist dieser „Look“ der Serie entstanden?

Nun, die Gesichter von Dr. Sonderberg und Minnie Cogner sollten nie zu sehen sein, um dem Hörer Freiraum für seine eigene Vorstellung der beiden Hauptcharaktere zu lassen. Trotzdem hat man durch die Kleidung und die Darstellung von hinten eine gewisse Idee, wie die beiden in etwa aussehen könnten und in welcher Epoche die Geschichten spielen. Durch meinen Illustrationsstil mit einer Tuschezeichnung in Kombination mit einem freien Aquarellklecks in jeweils einer Farbrichtung bekommt die Reihe dann quasi eine eigenständige visuelle Signatur.

Wie „entsteht“ ein Sonderberg-Bild denn genau?

Meistens bekomme ich ja eine relativ konkrete Bildidee zu der jeweiligen Folge geliefert. Dabei handelt es sich um eine Schlüsselszene oder die entsprechende Lokalität wie z. B. eine Situation im Theater oder auf der Rennbahn, vor einem historischen Gebäude usw. Ich suche dann nach Bildvorlagen aus dieser Zeit um 1890, um mir selber eine Vorstellung machen zu können. Mit Tusche und Feder zeichne ich dann den Hintergrund und die beiden Hauptfiguren und scanne das Ergebnis ein. Wenn dieses Grundgerüst steht, hinterlege ich es mit einem freien Aquarellklecks. So locker und leicht, wie es am Ende aussieht, ist es aber nicht. Es dauert, bis ein Bild sich wirklich rund anfühlt.

Wie hast du diese Maltechnik für dich entdeckt und entwickelt?

Die Technik mit den Aquarellklecksen entstand ursprünglich als zufälliges Nebenprodukt beim Malen. Mir sind eines Tages beim Wegräumen der Malunterlagen auf einmal die zufälligen Kleckse, die beim Mischen der Farben entstanden waren, ins Auge gesprungen. Ich konnte sogar ganze Figuren darin erkennen. Das hat mich fasziniert, sodass ich dann angefangen habe, damit zu experimentieren. Ich liebe den eigenen Charakter jedes einzelnen Kleckses – je nach Farbkombination, Form und Fortschritt des Trocknungsprozesses entsteht eine eigene Stimmung: mal hell, leicht, ruhig, harmonisch, mal sehr dynamisch, dramatisch oder sogar düster. Damit kann man gut spielen.

Hast du ein Lieblingsmotiv – oder gibt es eine Umgebung, in die du Dr. Sonderberg und Minnie Cogner gern einmal versetzen würdest?

Von den bereits existierenden Motiven ist mein Lieblingsbild das der aktuellen Folge „… und die letzte Nacht der Eva Przygodda“ (weil es so dynamisch ist) und das der Folge „… und die Zitronenjette“. Ich könnte mir Sonderberg und Minnie auch gut in einer Fabrikhalle, am Eiffelturm oder vor einem Zirkuszelt vorstellen.

Oh, damit hast du ja schon einen sehr geheimnisvollen Ausblick in die Zukunft gegeben, denn die Illustration der „Zitronenjette“ ist bisher nicht veröffentlicht und erst für eine der kommenden Folgen eingeplant …
 
Ups, das war mir nicht bewusst. 🙂 Ich hoffe, ich habe jetzt nicht zu viel verraten …

Du hast bisher nicht nur viele Buch- und Hörspielcover illustriert, sondern z. B. auch Logos entworfen und 3D-Figuren entwickelt. Was davon liegt dir am meisten?

Ich würde schon sagen, das Illustrieren selbst – zum Beispiel für Magazine, Buch- und Hörbücher. Logos oder 3D-Figuren mache ich auch gerne, die beruhen ja aber letztlich auch wieder erst mal auf Zeichnungen.

Du bist seit einigen Jahren Mutter einer Tochter. Wie zeichnet es sich mit einem solchen Energiebündel an der Seite?

Naja, parallel mit ihr an meiner Seite zu zeichnen – das geht schon mal gar nicht! 😀 Ich kann natürlich nur arbeiten, wenn sie gerade im Kindergarten ist. Sonst würde sie mir ja überhaupt keine Ruhe lassen, mir dauernd ins Bild kritzeln und die Farben umschmeissen – Vollkatastrophe! Inzwischen malt sie aber selbst schon ganz begeistert, am liebsten mit Acryl. Ab und zu lass ich ihr den Spass und mir die Sauerei danach … Zugegeben, in den ersten drei Jahren war es wirklich sehr nervenaufreibend, Job und Kind unter einen Hut zu bringen. Ich wollte aber trotzdem am Ball bleiben, und es kam für mich gar nicht in Frage, meine  Arbeit – und damit meine Leidenschaft – ganz und gar an den Nagel zu hängen. Da hätte mir etwas sehr Wichtiges gefehlt. Seitdem sie aber in den Kindergarten geht und nicht mehr dauernd krank ist, geht das natürlich alles wieder wesentlich besser.

Vielen Dank, Steffi, für das Interview.

Ich danke. 🙂