- Sie haben noch keine Artikel in Ihrem Warenkorb.
Für DORIAN HUNTER 91: „Taschenspiel“ hat sich Christian Schwarz genauer mit dem Winchester Mystery House auseinandergesetzt, eines der seltsameren Spukhäuser auf der Welt. Dabei ist er zu einigen Schlüssen gekommen, die dem Dämonenkiler in Sachen Zynismus in nichts nachstehen. Aber lest selbst.
Die Spukhäuser der Welt sind eigentlich meine Spezialität. Ich habe schon Hunderte Stunden mit, leider nicht in ihnen verbracht. Deswegen war ich doch ziemlich erstaunt, als ich das Expo für Dorian Hunter 91 erhielt. Schauplatz der spannenden Story: das Winchester House im kalifornischen San Jose, angeblich das berühmteste Spukhaus der Welt. Dummerweise hatte ich bis dato noch nie etwas von diesem Leuchtfeuer paranormaler Aktivitäten gehört. Zu meiner Ehrenrettung als Spukhaus-Experte darf ich aber anmerken, dass selbst meinem Autorenkollegen Timmy Stahl, der seit vielen Jahren in Kalifornien lebt, das Winchester House kein Begriff war. Umso spannender war es natürlich, mich in die Materie einzuarbeiten. Ein neues Spukhaus! Toll, ich freue mich …
Nun ist das ja mit Spukhäusern so eine Sache. Die Geschichten, die darüber erzählt werden, treiben einem teilweise kalte Schauer über den Rücken. Ob da aber wirklich was Wahres dran ist, ist eine ganz andere Geschichte. Immerhin, bei vielen Spukhäusern hören sich die Legenden so an, dass man sie zumindest glauben könnte. Fein gesponnenes Spukhaus-Garn sozusagen. Beispiel: das Amityville Horror-Haus auf Long Island, in dem Ronald DeFeo seine komplette Familie auslöschte. Mordopfer als dämonische Poltergeister ziehen natürlich immer, das ist auch irgendwie nachvollziehbar. Gut kommen auch uralte Indianer-Friedhöfe und Klöster, die für den Spuk in auf ihnen erbauten Häusern verantwortlich sein sollen. So wie die weltberühmte englische Borley Rectory, auf den Mauern eines Klosters erbaut, in dem einst unheilvolle Dinge geschahen. Eine Nonne soll, weil sie etwas mit einem Mönch hatte, lebendig eingemauert worden sein, der Mönch geköpft. Obwohl beide Spukgeschichten durch Zeugenaussagen als Betrug entlarvt wurden, ist man sich trotzdem nicht sicher, ob nicht vielleicht doch …
Beim Winchester Mystery House hingegen kommt man erst gar nicht in die Versuchung, die ganzen sich darum rankenden Gespenster-Geschichten für echt zu halten – zumindest, wenn man sich genauer damit auseinandersetzt. Kurz zum Hintergrund: Das Winchester House ist das ehemalige Wohnhaus Sarah Winchesters, der Witwe des Gewehrfabrikanten William Winchester. Nachdem die beiden 1866 ihr einziges Kind Annie nach nur 40 Tagen verloren hatten, starb 1880 Sarahs Schwiegervater Oliver, 1881 dann auch ihr Mann William im Alter von nur 43 Jahren. Es ist nicht klar, ob Sarah darüber schwermütig wurde und an einen Fluch zu glauben begann, der angeblich auf der Familie liege. Es ist auch nicht klar, ob sie nach einem längeren Europa-Aufenthalt das Bostoner Medium Adam Coons aufsuchte, wie es später von der Yellow Press nur allzu gerne verkündet wurde. Angeblich erzählte Coons der steinreichen Witwe, nachdem er sich mit dem Geist ihres toten Mannes William in Verbindung gesetzt habe, dass tatsächlich ein Fluch auf der Familie liege. Sarah könne ihm nur entgehen, indem sie in den Westen reise und dort ein Haus für all die toten Seelen errichte, die mit Winchester-Gewehren erschossen worden waren. Das waren hauptsächlich Millionen von Indianern und schon hier beginnt die Geschichte abstrus zu werden, wie wir gleich noch sehen werden.
Klar an der Geschichte ist nur, dass Sarah Winchester 1884 tatsächlich die Ostküste verließ, nach Kalifornien reiste und auf dem Gelände einer ehemaligen Farm eines der wundersamsten Bauwerke überhaupt in die Welt setzen ließ – das Winchester House eben. Die Bauarbeiten begannen noch im Jahr 1884 und wurden erst mit dem Tod von Sarah Winchester am 5. September 1922 beendet. Das Gebäude hat 161 Räume unterschiedlicher Größe, darunter allein 40 Schlafzimmer auf vier Etagen, 47 Kamine, 17 Schornsteine, mehrere Geheimgänge und 1000 Fenster. Vor dem großen kalifornischen Erdbeben von 1906, das auch das Winchester House schwer beschädigte, soll Sarahs Bauwerk, an dem Dutzende Zimmerleute in Schichten rund um die Uhr 36 Jahre pausenlos Tag und Nacht arbeiteten, noch deutlich größer gewesen sein. Das eigentlich Verwunderliche daran aber sind die zahlreichen architektonischen Kuriositäten, wie beispielsweise Türen, hinter denen eine Wand ist, eine Treppe, die sieben Stufen hinab und dann wieder elf hinauf führt, Treppen, die in der Decke enden und Türen, die in den Abgrund führen, eine direkt in der Außenwand, eine andere vor einem Loch, unter dem eine Küche liegt.
Dank dieser baulichen Kuriositäten begann die Yellow Press schon um 1890 herum zu spekulieren, was dahinterstecken könnte, zumal Sarah keine Architekten-Ausbildung hatte und sich auch niemals öffentlich zu ihren Motiven äußerte. War Sarah über den Tod ihrer Angehörigen vielleicht wahnsinnig geworden? Oder steckte etwas ganz Anderes dahinter? Die ersten Geister-Legenden entstanden, in einer Zeit wohlgemerkt, als sich der Spiritualismus in den USA auf seinem Höhepunkt befand. Die Sache mit dem angeblichen Fluch kam auf, die Geschichte wurde weitergesponnen, wenn auch auf ziemlich absonderliche Art und Weise. Und die Leute glaubten es nur zu gerne. Niemand fragte nach, warum sich die Geister erschossener Prärie-Indianer ausgerechnet nach dem Haus einer weißen Frau sehnen sollten. Dann wurde Sarah unterstellt, sich die häuslichen Baupläne für den nächsten Tag jede Nacht um Mitternacht im „Séance-Zimmer“ von den Geistern ihrer verstorbenen Vorfahren geben zu lassen – mit dem Hintergrund, verwirrende Architektonik zu errichten, um die zahlreichen bösen Geister in die Irre zu führen, die ihr schaden wollten. Deswegen nächtige sie angeblich auch jede Nacht in einem anderen der 40 Schlafzimmer, um sich vor den Geistern zu verstecken.
Also, fassen wir mal zusammen: Einerseits soll Sarah ein Haus für die toten Seelen der Winchester-Opfer errichten. Aber so, dass diese toten Seelen sie im Haus nicht finden. Und dann noch für ein Volks, das sich wohl überall, aber nicht im Haus einer weißen Frau wohlfühlen würde. Und sollte Sarah auf diese Weise dem Familienfluch nicht entgehen? Indem sie sich von den toten Seelen durchs Haus jagen lassen muss? Oje. Da passt ja gar nichts zusammen. Und wer glaubt, dass sich Geister, die ja bekanntlich völlig hindernisfrei durch die paranormale Welt wandeln, sich auf diesen seltsamen architektonischen Konstruktionen hoffnungslos verirren, vielleicht sogar mit dem Kopf vor die Wand schweben oder durch Falltüren fallen, glaubt auch an den Osterhasen. Es leben die Borley Rectory und das Amityville-Haus!
Die Legende des Winchester Mystery House ist also nicht mal im Ansatz schlüssig. Was immer Sarah Winchester wirklich bewogen haben mag, dieses wundersame Haus zu bauen, die Furcht vor Geistern war es sicher nicht. Zumal es Interviews mit Angestellten gibt, die viele Jahre lang im Winchester Mystery House arbeiteten. Sie erzählen, dass Sarah die Zeitungsberichte und die Geistergeschichten immer als Lüge bezeichnet habe. Auch Wahnsinn oder Depression wollen sie an ihr niemals bemerkt haben. Dazu kommt laut diesen Aussagen, dass Sarah das Winchester House gar nicht dauerhaft bewohnte, sondern nur zwei- bis dreimal die Woche dort weilte. Nichtsdestotrotz ziehen diese bis heute existierenden Legenden jedes Jahr hunderttausende von Touristen nach San Jose. Was die Besitzer, eine Investment-Gesellschaft, sicherlich freut. Natürlich hat jeder der House Guides auch ein paar persönliche Geistergeschichten auf Lager.
Welche persönliche und, wie schon gesagt, extrem spannende Geistergeschichte der Dämonenkiller Dorian Hunter im Winchester Mystery House erlebt, lest ihr in Band 91 „Taschenspiel“. Und wenn ihr dann noch nicht genug von diesem unglaublichen Haus haben: Am 15. März kommt der Mystery Thriller „Winchester – das Haus der Verdammten“ mit Helen Mirren in der Hauptrolle in die deutschen Kinos. Schlaft gut. Und passt besonders gut auf euch auf, wenn ihr eine Winchester im Haus habt. Euer
Christian Schwarz