Elisabeth Báthory, auch die Blutgräfin genannt, lebte von 1560 bis 1614 und war eine grausame Serienmörderin. Man spricht von über hundert, manche Quellen sogar von über sechshundert  Mädchen und Frauen, die sie auf grausame Weise gefoltert und umgebracht hat, weil sie sich von deren Blut eine Verjüngung versprach. Das ist so weit Fakt. Fakt ist auch, dass ein Zwerg namens Ficzkó auf dem Markt junge Dienstmädchen ansprach und der Gräfin zuführte.  Der aktuelle DAS HAUS ZAMIS-Band greift diese grausame Historie auf.

Um 1600

Ficzkó mochte vor allem die jungen Mädchen. Die mit den großen Augen und der Porzellanhaut. Denen schaute er am liebsten hinterher und stellte sich vor, wie er ihnen hübsche Kleider anzog und ihnen das Haar bürstete. Und das Beste daran: Selbst wenn er lange starrte, nahm es ihm niemand übel. Er musste es einfach ganz offen tun, am besten noch schwärmerisch die Hände unter dem Kinn falten, und die Menschen hielten es für einen Scherz. Wie alles, was er tat.

Oh, den Mädchen selbst war es vielleicht unangenehm, zumindest wenn er nicht seinen ganzen Charme auf sie konzentrierte. Aber wer hörte schon darauf, was junge Mädchen wollten oder dachten? Es war ein Scherz, er brachte die Menschen zum Lachen. Sie sollten sich nicht so anstellen. Es war ja alles nicht ernst.

Dachten sie.

Es war Markttag. Ficzkó wanderte zwischen den Ständen herum und grüßte mit breitem Lächeln jeden, den er kannte. Da war der Figurenschnitzer, der gerade damit beschäftigt war, das Ohr eines Holzpferdes richtig hinzubekommen, und Ficzkò mit dem Messer zuwinkte. Und die Gemüseverkäuferin, die immer lachte, wenn Ficzkó Witze darüber machte, wie fett einige der Passanten waren. Einem Blumenmädchen stahl Ficzkó eine Rose und steckte sie sich hinters Ohr.

„He!“, rief das Mädchen ihm hinterher. „Wer bezahlt mir das?“

Doch die anderen lachten bereits, also wusste Ficzkó, dass er damit durchkommen würde. Um noch einen draufzusetzen, tat er so, als wollte er die Rose mit einer eleganten Verbeugung einem älteren Herrn überreichen, der ihn sehr pikiert ansah. Als die Umstehenden sich vor Gelächter bogen, schwenkte er im letzten Moment um und hielt die Rose stattdessen einer Magd entgegen, deren Wangen sich sofort rot färbten.

Als er schließlich an einem Stand ankam, an dem es gebrannte Mandeln gab, begrüßte der Besitzer ihn bereits mit einem breiten Grinsen und füllte schnell eine Papiertüte mit den Süßigkeiten. „Die gehen aufs Haus, weil du immer ein Lächeln auf die Gesichter der Leute zauberst.“

Ficzkó musste sich strecken, damit er mit den kurzen Armen an die Tüten herankam. Nun gefiel es ihm nicht mehr so gut, dass die Leute lachten, aber er ließ es sich nicht anmerken. Er wollte, dass sie über andere lachten, nicht über ihn, aber manchmal musste er gute Miene zum bösen Spiel machen, damit er seinen Ruf als Spaßmacher nicht verlor.

Mit seiner Beute zog er sich schließlich an den Brunnen in der Mitte des Platzes zurück und setzte sich dort auf ein niedriges Mäuerchen. Nach außen hin mochte es so wirken, als sei er ganz in den Genuss der gebrannten Mandeln versunken, aber in Wirklichkeit behielt er die Menge aufmerksam im Blick.

„Den Wassereimer hat sie nach mir geworfen!“, erklang da die Stimme eines jungen Mädchens nicht weit von ihm. Er neigte interessiert den Kopf und lauschte.

„Wirklich?“, antwortete eine andere Stimme. „Dabei heißt es immer, sie sei so eine nette Frau.“

„Oh ja, wenn du vom selben Stand bist wie sie. Aber wie sie ihre Diener behandelt, das ist unter aller Sau. Sie schreit auch den alten Jorge immer an, ihren Kutscher!“

Langsam drehte Ficzkó den Kopf, bis er die beiden Sprecherinnen im Blick hatte. Sie trugen beide die einfache Kleidung von Mägden und waren damit beschäftigt, ihre Eimer mit Wasser vom Brunnen zu füllen. Die eine war schon ein wenig älter und hatte eine lange Adlernase. Die andere hatte genau die Art von Puppengesicht, die Ficzkós Herz höher schlagen ließ.

„Anschreien ist ja eines“, sagte die ältere Frau. „Das macht meine Herrin auch manchmal. Das ist normal. Aber dass sie den Eimer nach dir wirft …“

„Es tat richtig weh“, beschwerte sich die jüngere Frau. „Hat mich an der Schulter getroffen, und da habe ich immer noch einen blauen Fleck. Und als ich deswegen nicht schnell genug das verschüttete Wasser aufgewischt habe, hat sie auch noch mit ihrem Gehstock nach mir geschlagen.“

„Und das alles nur, weil das Wasser nicht sauber genug war?“, fragte die ältere Frau entsetzt.

Die jüngere nickte traurig. „Als ob ich etwas dafür könnte, wie es aus dem Brunnen kommt. Wahrscheinlich schlägt sie mich nachher gleich wieder.“

„Oh Magda, du brauchst dringend eine andere Anstellung!“

„Als ob ich das nicht wüsste. Aber ich bin ja schon froh, dass die jetzige Herrin mich genommen hat mit dem Ruf, den meine Mutter hat und alles.“

Ficzkó hatte seine gebrannten Mandeln inzwischen fast vergessen, und sein Herz schlug schneller. So wie es aussah, würde er heute Beute machen.

Als die beiden Dienstmädchen sich verabschiedeten und jede mit ihrem vollen Eimer in eine andere Richtung davonging, stand Ficzkó auf und schlenderte Magda hinterher. Nun aß er wieder genüsslich von seinen Süßigkeiten und nickte grüßend den Leuten zu, die ihm entgegenkamen. Erst als Magda in eine weniger belebte Gasse einbog, ließ Ficzkó die Maske fallen und ging ihr nun gezielter hinterher. Er bog in eine Nebengasse ein, eilte eine Parallelstraße entlang und passte Magda so ab, bevor sie um die nächste Ecke trat.

Er wusste, dass er mit seiner Fantasieuniform und seiner kleinen Gestalt ein lustiges und harmloses Bild abgab, und das gereichte ihm auch nun zum Vorteil. Anstatt sich zu erschrecken, dass er so plötzlich vor ihr auftauchte, blinzelte Magda nur überrascht, als sie ihn sah.

Er grinste und winkte übertrieben fröhlich, was sie zum Lächeln brachte. „Ich habe dich hier schon gesehen“, sagte sie.

„Natürlich hast du das“, behauptete er. „Immerhin bist du eine Dame mit Geschmack.“ Er deutete eine Verbeugung an. „Ich bin Ficzkó.“

Magda kicherte und ging auf das Spiel ein, indem sie einen Knicks andeutete, auch wenn er wegen des schweren Wassereimers etwas unbeholfen geriet. „Sehr erfreut, Ficzkó. Ich bin Magda. Aber ich fürchte, ich muss weiter, ansonsten wird mich meine Herrin wieder schelten.“

„Dann begleite ich dich“, bot Ficzkó an. Dabei gratulierte er sich dazu, wie gut es lief. Arme, geprügelte Mädchen wie Magda waren geradezu ausgehungert nach ein wenig Freundlichkeit. Es brauchte nie viel, um ihr Vertrauen zu gewinnen.

Als Magda sich in Bewegung setzte, schlenderte Ficzkó neben ihr her. „Du siehst betrübt aus“, sagte er nach einer Weile. „Sag, was ist dir für eine Laus über die Leber gelaufen?“

Das war alles, was es brauchte, damit Magda ihm ihr Herz ausschüttete. Sie berichtete von der Grausamkeit ihrer Herrin. „Nichts, was ich tue, ist gut genug!“, beklagte sie sich. „Es ist, als würde sie nur nach einem Vorwand suchen, um mich wieder zu bestrafen.“

„Oh, du armes Ding“, gab Ficzkó sich mitleidig. „Aber vielleicht kann ich dir helfen“, bot er dann an. „Meine Herrin sucht gerade tüchtige, junge Mädchen.“

Sofort leuchteten Magdas Augen auf. „Wirklich?“

Ficzkó nickte bekräftigend. „Ich würde dich ihr gerne vorstellen, allerdings pflegt sie etwas ungewöhnliche Zeiten. Kannst du heute um Mitternacht in der Augustinerstraße sein?“

Für einen Moment wirkte Magda ein wenig misstrauisch. „Aber das ist schon etwas Anständiges, oder? Ich weiß nicht, was du von meiner Mutter gehört hast, aber so was mache ich nicht, niemals!“

Ficzkó wischte ihre Bedenken mit einer Handbewegung davon. „Keine Sorge, meine Herrin ist eine angesehene Dame der höheren Gesellschaft.“

„Dann kann ich auf jeden Fall dort sein!“

„Wunderbar. Ganz wunderbar!“ Ficzkó begleitete das Mädchen noch ein Stück und machte weiter Witze, um auch den letzten Rest ihres Misstrauens zu zerstreuen. Als er sich schließlich verabschiedete, hatte er keine Zweifel daran, dass sie um Mitternacht erscheinen würde …

So weit der Ausschnitt aus dem brandaktuellen DAS HAUS ZAMIS-Band 57 „Es wird kommen die Nacht“. Zu bestellen ist das Buch hier!

Keep the Horror burning!
Euer Uwe