Der am 22. April 2016 verstorbene ZAUBERMOND-Autor Malte S. Sembten, der unter dem Pseudonym Rüdiger Silber für DORIAN HUNTER und DAS HAUS ZAMIS schrieb, lotete meine Exposés bis zum Grund aus. Mit Rüdiger Silber zu arbeiten, war eine Sisyphos-Arbeit. Gewöhnlich stellte er jeden einzelnen Punkt infrage, machte zahlreiche Änderungsvorschläge, auch noch während des Schreibens, und hielt mich mit zahlreichen Mails stets ziemlich auf Trab. Dennoch kam am Ende meistens ein besserer Roman dabei heraus, als es das Expo hergab. Und so sollte es in der Regel ja auch sein …

So hatte ich bereits für den Dakota-Zyklus (DAS HAUS ZAMIS 42-44) über den haitianischen Voodoo recherchiert, vor allem William Seabrook, der ja in seinem Buch auch eine Körpertausch-Szene schildert, die ich entsprechend in meinen Roman eingebaut hatte.
Nun aber spielte Maltes Roman in New Orleans, und er war gar nicht mehr einverstanden mit meiner Namensgebung. Der folgende Auszug aus einer seiner Mails ist typisch für unsere Dispute: „Ich habe und kenne die deutsche Ausgabe des Seabrook-Buches (‚Geheimnisvolles Haiti, Rätsel und Symbolik des Wodu-Kultes’). Diese ‚Mama …’- & ‚Papa …’-Namen sind typisch für den auf Haiti praktizierten Voodoo-Kult. Der aber unterscheidet sich in vielen Aspekten von dem New Orleanser Voodoo, wie ihn Robert Tallant (Zeitgenosse von Seabrook) in seinem maßgeblichen Buch ‚Voodoo in New Orleans’ schildert. Auch dieses Buch besitze ich und habe es gelesen. Daher sind meine Namen authentisch für den New Orleanser Voodoo (Marie Laveau hieß ja auch Marie Laveau, nicht Mama Mumba oder so ähnlich, und galt als eine ‚Voodoo-Queen’) – und sie wirken weniger klischeehaft. Daran möchte ich gerne festhalten.“
Nun, wir haben uns darauf geeinigt, wenigstens bei den beiden Voodoo-Hauptpersonen die ursprünglich im Exposé festgelegten Namen beizubehalten, weil ein Titel wie „Lady Mamba“ einfach viel besser klingt als beispielsweise „Emma Watson“.
Eine andere Auseinandersetzung war gravierender, aber auch hier gab es keinen Verlierer, so hoffe ich: Laut Malte sollte Coco Zamis gleich mehrmals von der schönen Vampirin Classinia verführt werden.
Wir haben lange darum gerungen, wie glaubwürdig es für eine Serienfigur wie Coco ist, plötzlich sexuelle Gefühle für eine Frau zu entwickeln. Bisher war dies so nicht vorgesehen ­­– in dem Zusammenhang fiel dann auch mein Satz: „Ganz ehrlich: wenn ich das so lese, passen die lesbischen Szenen einfach nicht zu Coco. Sie hat sich einmal hinreißen lassen, das ist okay. Aber ansonsten würden wir da eine völlig neue Serienfigur erschaffen. So als ob James Bond nach 24 Filmen plötzlich schwul würde!“
Letztlich, so empfinde ich es, ist es auch immer eine männliche Sichtweise, Frauen mit Frauen vereinigen zu wollen. Kaum einem männlichen Serienautor fiele es ein, auf ähnliche Weise die aufflammende Liebe zwischen zwei Männern zu schildern.
Wir einigten uns darauf, dass Classinia Coco einmal verführen darf. Eine weitere Szene wurde gestrichen.
Dennoch verstand es Malte S. Sembten auch als Rüdiger Silber wie kein Zweiter, diese Szenen stets so subtil zu schreiben, dass sie nie vordergründig voyeuristisch wirkten. Um dies zu untermauern, sei ein Ausschnitt der gestrichenen Szene an dieser Stelle nachgetragen. Zum einen als Reminiszenz an einen hervorragenden Autor, zum anderen auch, weil „Lady Mamba“ Malte. S. Sembtens letztes Werk ist, das er vollendet hat.

Also: Vorhang auf!

Ich fand einen ausreichend breiten Stellplatz für den Lamborghini. Der Motor verstummte. Die plötzliche Stille kam mir ohrenbetäubend vor.
Ich spürte noch immer ein Kribbeln am ganzen Körper. Der Trip mit dem Aventador hatte wie ein Testosteronschub gewirkt. Ich blickte zu Classinia hinüber. Auch ihr Gesicht war gerötet, und nicht nur vom Blut, das ihr noch immer Kinn und Wangen verschmierte. Ihr Kleid war zerrissen und blutgetränkt. Ich musste genauso aussehen. Wir brachen beide in ungebändigtes Lachen aus.
Classinia löste sich von Rebecca, mit der sie sich während der Fahrt den Beifahrerplatz geteilt hatte, und bettete sie vorsichtig in den Schalensitz. Eine Sekunde später kniete sie über mir, den Hintern gegen das Lenkrad gepresst, und schob mein Sweathirt über den BH. Ich riss am Stoff ihres zerfetzten Kleides und legte glatte, feste Schenkel frei.
Da hörte ich von rechts ein mattes Stöhnen. Rebecca regte sich. Sie öffnete die Augen, blinzelte, verzog schmerzhaft das Gesicht und wischte sich Erbrochenes aus dem Mundwinkel. Im selben Moment sah sie, was Classinia und ich miteinander trieben. Ihre Augen wurden groß. Noch größer wurden sie, als Rebecca erkannte, wo sie war, sich ein wenig aufrichtete und den Lamborghini anstaunte.
»Whow!«, ächzte sie. »Ich hab viel verpasst, oder?« …

Ich hoffe, ich habe euch damit auch einen kleinen Einblick in die Exposéarbeit geben können. Die Arbeit bei ZAUBERMOND ist nie autoritär, es ist ein Miteinander vieler kreativer Köpfe, die letztlich alle ein Ziel haben: Euch spannende Unterhaltung zu liefern!

In diesem Sinne:
Keep the Horror burning!