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Christian Schwarz hat in Band 76: „Homunkulus“ seinen zweiten Beitrag zur HUNTER-Reihe geleistet. Hier plaudert er ein wenig aus dem Nähkästchen und erzählt über die Entstehung seines neuesten HUNTER-Romans. Vorsicht gilt für alle, die den Band noch nicht gelesen haben: Es gibt Spoiler!
Nach meinem ersten DORIAN HUNTER (Band 74, „Aus der Asche“) war die Freude groß. Den hast du jetzt doch ganz gut hinbekommen, dachte ich bei mir. Tolles Thema mit dem einen oder anderen eigenen Charakter, den ich entwickeln konnte, mit Tibet eine kulturell-landschaftliche Kulisse, die mir liegt, alles easy also? Nicht ganz, denn es gab einen kleinen Wermutstropfen: Dorian Hunter war nicht dabei!
Klar, wir hatten ihn ja kurz zuvor über die Klinge springen lassen. So kam es also, dass die Worte »Dorian« und »Hunter« kein einziges Mal in meinem Roman auftauchten, wie ich anschließend über die Suchfunktion feststellte. Und das hatte nun wirklich nichts damit zu tun, dass man den Rookies gerne mal einen „Füllroman“ ohne die Hauptcharaktere gibt, damit sie da ja keinen Unsinn damit anstellen. Nein, es war in diesem Moment eben einfach der Handlungsbogen. Der Dämonenkiller tot, aus, finito.
Natürlich nicht für immer.
Deswegen war klar, dass ich den Dämonenkiller spätestens im zweiten Roman vor die Tastatur kriegen würde. Und das war nun die eigentliche Herausforderung. Natürlich gibt es ein umfangreiches Serienexpo mit einer sehr ausführlichen Beschreibung Dorians. Natürlich hatte ich früher alle DORIAN HUNTER-Bände geradezu verschlungen (und mich aktuell in den einen oder anderen neuen eingelesen). Aber als Autor brauchst du ein »Feeling« für die Hauptpersonen, um sie einigermaßen authentisch rüberzubringen. Wie treten sie szenisch auf? Wie handeln sie? Was sagen sie? Das ist immer dann ziemlich schwierig, wenn so ein Charakter von mehreren Autoren behandelt wird. Jeder hat so seine eigenen Vorstellungen von seinem Helden und lässt immer mal wieder ein bisschen von sich selbst mit einfließen. So macht der Held mal Witzchen, mal ist er staubtrocken, mal etwas menschlicher, mal unterkühlter, etc.
Um nun wieder ein möglichst authentisches Feeling für den guten Dorian zu bekommen, beschloss ich, nochmals in die Anfänge der Serie einzutauchen und zu schauen, wie ihn Ernst Vlcek und Kurt Luif (Neal Davenport), die beiden legendären Väter des Dämonenkillers, gezeichnet hatten. Eine Maßnahme übrigens, von der ich mir noch weitere aufschlussreiche Erkenntnisse erhoffte: Was können DH-Dämonen und was können sie nicht? Welche Waffen werden eingesetzt und wie wirken sie?
Man sollte nun meinen, dass das für einen alten DH-Fan wie mich kein Problem darstellen sollte, aber: Pustekuchen! Zum einen ist es schon eine ganze Weile her, dass ich die Romane gelesen hatte, und zum anderen kommt hinzu, dass man Elemente, etwa Waffenwirkungen, automatisch übernimmt, wenn man für andere Serien mit dämonischem Background schreibt (z. B. Professor Zamorra). Genauso erging es mir mit meinem ersten DH, als ich etwa den eingesetzten Gemmen viel zu große Macht und Wirkung zuschrieb. Bei »Homunkulus« sollte mir das nicht passieren, schwor ich mir.
Als ich dann tatsächlich die ersten Bände auflas (die komplette Sammlung, Erstauflage, steht natürlich noch heute in meinem Regal), machte ich einige überraschende Entdeckungen. Dorian war viel düsterer und manchmal auch „unsympathischer“, als ich ihn in Erinnerung hatte! Klar, er hat ein dämonisches Erbe in sich, aber darf ein Held so sein? – Trotzdem hat Dorian von Anfang an als Held funktioniert, ein Phänomen, das aus heutiger Sicht sehr bemerkenswert ist. Klar, in den ersten sieben Geschichten passiert noch nicht so viel. Dorian eliminiert seine Brüder und braucht dabei eine Menge Glück und Beistand, auch nicht gerade ein Superhelden-Merkmal. Aber die Geschichten verströmen noch immer ein völlig eigenes Flair, weil das Konzept genial ist. Die Dämonen bei HUNTER sind keine abgehobenen Höllenwesen, sie sind mitten unter uns! Teil unserer Gesellschaft, manchmal nicht sehr viel stärker als wir selbst. Das, was wir hin und wieder in der Zeitung lesen, könnte „einer von denen“ veranstaltet haben …
Dazu kommen einige außergewöhnliche Charaktere. Philipp, der Hermaphrodit, hat schon früh seinen ersten Auftritt. Coco, die vom schwarzen Glauben abgefallene Hexe, der Puppenmann Chapman oder die New Yorker Freaks … Alles tolle Figuren! Und genau das ist Vlceks und Davenports großer Verdienst und der Grund für den Erfolg der Serie. Sie war immer lebendiger und näher dran am Leser. Außerdem auch ein Stück weit härter und »glaubhafter« als die ganzen Fabelwesen, die in anderen Serien ihre Auftritte hatten und haben. Und sie hat früher als andere Serien im deutschen Sprachraum gespielt und Historie szenisch mit eingebunden.
Ich hoffe, dass ich nun das Feeling für Dorian wieder habe und dass es mir einigermaßen gelungen ist, ihn authentisch rüberzubringen. Viel wichtiger ist mir aber die Erkenntnis: Die aktuellen Romane müssen sich nicht vor den Anfängen verstecken. DORIAN HUNTER ist heute in Stil und Inhalt vielleicht sogar besser, überraschender, atemberaubender, ohne jedoch dieses „Hunter-Gefühl“ verloren zu haben. Und ich freue mich sehr, jetzt ein Teil davon sein zu dürfen.