Stätten des Wahnsinns

8. April 2016

Manch einem mag von den Seiten von DORIAN HUNTER 83: „Der Orden von Delphi“ ein gewisser lovecraftianischer Hauch entgegengeweht sein. Manch einer mag sich auch gefragt haben, ob das wohl Zufall war, und wenn nicht, wie man denn auf so eine bekloppte Idee kommen kann. Um die erste Frage zu beantworten: Es war kein Zufall. Für die zweite muss ich ein bisschen ausholen.

Meine erste Begegnung mit Lovecraft hatte ich im zarten Teenageralter. Ich fand „Das Ding auf der Schwelle“ im Phantasik-Regal meines Vaters, überflog die ersten paar Seiten, befand es stiltechnisch für komplett unlesbar, und entschied mich stattdessen für irgendwas von Asimov. Ich wünschte, ich könnte etwas anderes behaupten. Allerdings hat es mir sicher auch nicht geschadet, Asimov zu lesen.

Einige Jahre später stellte ich nach und nach fest, dass ich und H. P. Lovecrafts Schreibstil zwar nie Freunde werden würden, aber seine Ideen waren durchaus faszinierend. Einer der Grundgedanken des Horror-Genres ist ja, dass der Mensch dem Übernatürlichen relativ machtlos gegenüber steht. Viele Horror-Geschichten drehen sich darum, eine Begegnung mit dem Übernatürlichen gerade so zu überleben, wohingegen es in der weniger düsteren Phantastik mehr darum geht, es tatsächlich zu besiegen. Diesen Grundgedanken hat Lovecraft auf die absolute Spitze getrieben. Gegen die Großen Alten hat man als Mensch einfach nicht die geringste Chance. Sogar die Sache mit dem Überleben wird oft schwer, und die Geschichten enden mit einem in verzweifelter Hast niedergekritzelten Tagebucheintrag in der Art von: „Ich kann sie schon hören. Gleich kommen sie mich holen.“

Ich bewundere diese Konsequenz, und auf der Basis dieser Bewunderung ist der Delphi-Priester Mantao entstanden. Jemand, der im Prinzip von Anfang an zum Tode verurteilt ist, ganz egal, was er macht. Mantao ist außerdem so verrückt, dass er das nicht mal merkt.

Und damit wären wir bei der Sache mit dem Wahnsinn. Wahnsinn spielt ja auch in DORIAN HUNTER eine wichtige Rolle, da die Dämonen die Nähe verrückter Personen nicht ertragen. Bei Lovecraft ist es genau umgekehrt. Der Kontakt mit Lovecrafts fiesen Wesenheiten macht einen früher der später wahnsinnig. Was im Umkehrschluss bedeutet, dass die Dämonen der Schwarzen Familie in lovecraftianischen Wesen ihre Todfeinde sehen müssten. Dann welcher Dämon will schon in einer Welt voller verrückter Menschen leben? Das wäre der absolute Albtraum der Schwarzen Familie!

Und damit war die Geschichte geboren. Ich habe sie gespickt mit den üblichen Zutaten, Fischwesen und versunkene Städte und solche Dinge. Und sie hat sich sehr gut als Hintergrund für den Orden von Delphi angeboten. Dorian Hunter findet sich so plötzlich auf derselben Seite wie die Dämnen wieder. Was ihm in letzter Zeit öfter zu passieren scheint. Man könnte fast meinen, dass Dämonen und Menschen doch eine Menge gemeinsamer Interessen haben. Aber dazu später mehr.