Spaziergang durch Wien mit Michael M. Thurner, Teil 2

14. Februar 2014

Michael Marcus Thurner arbeitet bereits an seinem nächsten Beitrag zu DAS HAUS ZAMIS. Das bedeutet allerdings nicht, dass er einfach nur vor dem Computer sitzt und schreibt. Offensichtlich fallen für ihn Spaziergänge durch seine Heimatstadt Wien auch unter „Arbeit“. Hier folgt der zweite Teil seines Berichts:

Die barocke Mariahilfer Kirche wurde nach umfangreichen Zerstörungen nach der zweiten Wiener Türkenbelagerung (1683) neu aufgebaut. Für mich ist sie insofern interessant, als sie im Kellerteil (der wiederum ein ehemaliger Pestfriedhof ist) die sogenannte “Gruft” beherbergt, eine Einrichtung der Caritas, in der Obdachlose übernachten, Sozialbetreuung erhalten und warme Mahlzeiten bekommen. Ich habe die Gruft bereits in meinem letzten DHZ-Roman zum Stammsitz mehrerer “Freaks” gemacht.
Abseits von allen Fantasien ist die Gruft übrigens eine großartige Einrichtung, die vor einigen Jahrzehnten aus einem Schülerprojekt entstand. Wer sich näher über diese Institution informieren möchte: www.gruft.at

Dies ist ein Teil des “Apollo-Kino”. Heutzutage sind im Gebäude 13 Kinosäle untergebracht, die über verwinkelte und verwirrende Gänge auf mehreren Geschossebenen erreicht werden. Davor hatte das Apollo einen einzigen Kinosaal, in dem über 1.500 Besucher Platz fanden. Im großzügigen Parterre, aber auch in kreisförmig angelegten Theaterlogen. Denn das war es einmal: ein Theater. 1904 erbaut, fanden hier Revuen statt, wurde gezaubert, wurde getanzt und gefeiert. Auch Josephine Baker hatte im Apollo ihren umjubelten Auftritt.
Wer sich mal in den Gängen verirrt – und das tut man unweigerlich, wenn man das erste Mal ins Apollo geht -, wird womöglich ein Gefühl der Erleichterung verspüren, wenn er endlich einen Ausgang findet.

Und was hat dieser “Türke” hier zu suchen? – In diesem Haus war einstmals ein Tabakkontor untergebracht. Der “Türke” stand als Firmenzeichen für Rauchwaren aller Art und hat die Zeiten überdauert. Nach wie vor sitzt er da mit seiner riesigen Pfeife in der Hand und sieht auf seine Gasse hinab. Er blickt übrigens aufs Gemeindeamt und den Feuerwehrhof des siebenten Wiener Gemeindebezirks. Ob er manchmal in der Nacht heimlich runtersteigt? Legt er da und dort Feuer mit nach wie vor glosenden Tabakresten in seiner Pfeife? Hm.

Man muss nur genau aufpassen, um die vielen seltsamen Figuren zu entdecken, die auf Wiens Häusern hocken und unser Treiben beobachten. Hier handelt sich’s zwar um zwei Heilige, die christliche Symbole in den Händen halten – aber bringt das Licht nicht etwas Dämonisches in ihnen hervor?

Das Innungshaus der Wiener Bäcker. Es ist nicht leicht zu finden, denn es liegt in einem Innenhof versteckt. Es wirkt, als würden ringsum modernere Häuser hochgezogen worden sein, um das Haus vor den Blicken der Menschen zu verbergen. Als hätte sich dieser Altbau erfolgreich gewehrt, abgerissen zu werden …