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m letzten Beitrag Anfang März habe ich über den Fall des „psychomagnetischen Experiments“ gesprochen, der auf meiner persönlichen SONDERBERG-Rangliste eher weiter unten anzusiedeln ist.
Heute geht es um Dr. Sonderbergs sechsten Fall, den „Spiegel von Burg Vischering“, der in mancherlei Hinsicht eine Besonderheit darstellt. Das gilt natürlich zunächst einmal für den Schauplatz. Nicht Düsseldorf wie in den ersten fünf Folgen, sondern Lüdinghausen.
Wie kam es dazu? Zum einen schwebte mir schon länger vor, Dr. Sonderberg und Minnie in den Urlaub zu schicken, auf ganz und gar unbekanntes Terrain – vor allem, um das liebgewonnene, aber auch ein wenig festgefahrene Gefüge von Figuren direkt um die Detektei (speziell die immer etwas schusselig agierende Polizei mit Inspektor van den Beeck an der Spitze sowie Dr. Sonderbergs Adoptiv-Neffe Gregor) einmal ein wenig außen vor zu lassen.
Den Anstoß lieferte dann ein Gespräch mit Beate Barth, die in Lüdinghausen die Hörbuch- und Hörspielhandlung „Hörbar“ betreibt und darüber hinaus Kontakte zum Stadtmarketing hat. Wie wäre es, einmal einen Fall in Lüdinghausen spielen zu lassen? Aus der Idee wurde ein längeres Gespräch und schließlich ein Projekt. Ich bekam eine Menge Bücher über die Stadt und ihre überaus interessante Geschichte zugeschickt und verschaffte mir zudem in einer Tagestour mit einem persönlich zur Seite gestellten Stadtführer (vielen Dank noch einmal dafür!) vor Ort einen Überblick. Dieser Tag hatte es in sich. Erstens ist Lüdinghausen mit seinen 25.000 Einwohnern gerade groß genug, um eine solche Tour an einem einzigen sehr gut gefüllten und sehr anstrengenden Tag hinter sich zu bringen, zum zweiten offenbarte das Städtchen mit seinen vielen alten Schauplätzen und kleinen Geschichten mir die Story des Hörspiels beinahe auf dem Silbertablett.
Natürlich musste die Burg Vischering eine Rolle spielen, die mit ihrem Wassergraben und ihren trutzigen Mauern einen wahrhaft imposanten Eindruck bietet. Und natürlich die (leider nur noch in geringen Teilen erhaltene) Burg Lüdinghausen. Die Legende über eine angebliche unterirdische Verbindung zwischen beiden Burgen kam mir wie gerufen. Diese Verbindung hätte natürlich das Flüsschen Stever kreuzen müssen, und da war es auch schon: das Bild eines Wassereinbruchs vor meinem geistigen Auge, der Dr. Sonderberg und Minnie um ihr Leben laufen lässt wie einst den Großen Wolf und seine Utah-Krieger im Tunnel unter dem Schatz im Silbersee.
Aber auch viele andere Geschichten und Geschichtchen aus dem Ort haben im Hörspiel Platz gefunden. Das Hotel zur Post gab es zum Beispiel damals schon, genauso wie den Posten des Rentmeisters auf der Burg Vischering. Oder die Halskrause aus Eisen sowie die Geschichte, die sich um sie rankt – den legendären Streit zwischen Lambert von Oer und dem Haus Ascheberg. Auch die Auslucht in der Burg Vischering mit der Bodenklappe existiert. Es hat riesigen Spaß gemacht, all diese Details zu einer fast wahren Geschichte zu verschmelzen.
Dabei habe ich mir dann, wie so oft bei Sonderberg, auch einige mehr oder minder offene Bezüge und Hinweise erlaubt. Karl May habe ich schon erwähnt, aber das gilt natürlich auch für den unglücklichen Schützen Kaspar, dessen Namen ich mir bei Carl Maria von Weber und seiner Oper „Der Freischütz“ entliehen habe (ich weiß, im Original ist Max der Schütze und Kaspar sein dunkler Verführer, aber wer Max in Webers Oper interessanter findet als Kaspar, hat einfach kein Herz und keine Ahnung). Wie bei SONDERBERG & CO. ja überhaupt viele Wesenszüge von Figuren in ihren Namen kodiert sind. Im „Vischering“-Fall wären das zum Beispiel der schroffe, hartherzige Amtsrichter Brock oder das rücksichtsvoll-anständige Fräulein Anna Liebesehl.
Kurzum, es war mir eine Freude, diesen Fall zu schreiben … obwohl ich natürlich Inspektor van den Beeck und Gregor auch ein wenig vermisst habe, wie ich zugeben muss. Aber dafür waren sie ja in den nächsten Fällen wieder dabei.
Ob der Fall „Vischering“ wirklich meine Lieblingsfolge von Sonderberg ist? Gibt es überhaupt so etwas wie eine Lieblingsfolge bei einer Serie, die man selbst schreibt und bei der das Herz zwangsläufig ein wenig an jeder einzelnen Episode hängt?
Auf jeden Fall war es ein besonderes Erlebnis – nicht zuletzt auch wegen der Live-Aufführung direkt auf der Burg Vischering zum Erscheinungstermin (bei der Jan-Gregor Kremp und Regina Lemnitz leider unabhängig voneinander kurzfristig absagen mussten, aber von Dirk Hardegen und Dagmar Dreke großartig vertreten wurden). Das Wetter war uns hold, und wir verbrachten vor rund 200 Besuchern einen wunderbaren Abend mit anschließendem Grillfest.
Den Abschluss bildete dann ein Hörerbrief von Heinrich-Josef von Gimpte zu Nyghenborch, den ich im März 2013 in diesem Blog zitiert habe – und dessen Ahnherr im Hörspiel erwähnt wird: „Eine wirklich große Überraschung. Wirklich gut geschrieben, inszeniert und nicht zuletzt exzellent gesprochen. Nach 40 Jahren Bühnenerfahrung als Sänger und Schauspieler erlaube ich mir dieses Urteil.“
Mhmm, das wärmt einem natürlich das Herz … aber ich glaube, am Ende möchte ich das Urteil, welches das beste SONDERBERG-Hörspiel ist, doch jedem einzelnen Hörer persönlich überlassen. Mir reicht die Erinnerung an einen außergewöhnlich interessanten Urlaub, den Dr. Sonderberg und Minnie Cogner in Lüdinghausen verbringen durften.
Dennis Ehrhardt