Vor einer Weile hatte ich eine Leseprobe aus DORIAN HUNTER 95: „Der zweite Eidesstab“ gepostet und gefragt, ob ihr wisst, welchen alten Charakter wir darin wieder ins Scheinwerferlicht gerückt haben. Inzwischen dürfte es kein Geheimnis mehr sein, dass es sich dabei um Zakum handelt, den Archivar der Schwarzen Familie. Doch ganz heimlich haben wir zusätzlich weiteren altbekannten Dämon wieder aufgegriffen – auch wenn der tot ist und bleibt.

Er zerknüllte die leere Bierbüchse und warf sie in den Papierkorb. Dann öffnete er eine zweite und schaltete den Fernseher ein. Gerade, als er die Schuhe ausgezogen und sich aufs Bett gelegt hatte, klingelte sein Smartphone.
Morales runzelte die Stirn. Der Ärger explodierte förmlich in ihm. Er knurrte wie ein Wolf, als er nach dem Smartphone griff. Aber es war nicht Chapman, der anrief, denn den hatte er erwartet. Um ihm mitzuteilen, dass er Hunters Benehmen doch bitte nicht so ernst nehmen solle. Man kenne den Dämonenkiller ja …
Diese Nummer kannte er allerdings nicht. Wer immer ihn gerade zu erreichen versuchte, tat es aus Frankreich. Das machte Morales neugierig. Welcher Unbekannte in Frankreich besaß seine Nummer? Um das herauszufinden, musste er das Gespräch entgegennehmen. Ansonsten hätte er es klingeln lassen.
„Ja, Morales“, bellte er in sein Smartphone.
Am anderen Ende war Rauschen zu vernehmen. Dann ein Räuspern.
„He, Mann, was ist? Reden Sie oder ich werfe Sie verflucht nochmal schneller wieder aus der Leitung, als Sie Mäh sagen können. Verst …“
„Spreche ich mit dem Deutschen?“, unterbrach ihn eine etwas zu hohe Männerstimme, die Englisch mit schauderhaftem französischem Akzent sprach.
Morales spürte sofort, wie sich sein Magen schmerzhaft zusammenzog. Unangenehme Erinnerungen zuhauf brachen wie ein Tsunami über ihn herein.
Der Deutsche
… dessen wahren Namen bis heute niemand kannte, war einer der  Höllenplagendämonen gewesen, ein uraltes Schwarzblut, das Hunter schon in einem seiner früheren Leben begegnet war. In der Neuzeit hatte der fette, glatzköpfige Koloss die geheime Einheit aus ehemaligen Secret-Service-Agenten gegründet, die überaus erfolgreich Dämonen jagte. Kein Wunder, denn der Deutsche hatte gewusst, wo sie zu finden waren. Morales hatte dieser Einheit angehört, ebenso Don Chapman, der vom Dämonenkillerteam herüber gewechselt war, weil er die Schnauze von Hunter voll gehabt hatte, was jeder einigermaßen normale Mensch nachvollziehen konnte.
Lange war Morales nicht klar gewesen, dass es sich bei dem Deutschen um einen der schrecklichsten Dämonen überhaupt handelte, der die Einheit für seine eigenen finsteren Zwecke missbrauchte. Soweit bekannt war, hatte die damalige Schiedsrichterin Lucinda Kranich den Deutschen getötet. Daraufhin hatte sich die Einheit aufgelöst, Morales hatte erst mit Don Chapman zusammen versucht ein eigenes Team zu gründen. Nachdem aber alle anderen Mitglieder außer ihnen beiden von Dämonen ausgelöscht worden waren, hatten sie sich wieder dem Dämonenkillerteam angeschlossen.
Wer um alles in der Welt wollte also nach so langer Zeit plötzlich den Deutschen sprechen?
Und woher hat der Kerl meine Handynummer?
„Hallo?“
„Nein, Sie sprechen nicht mit dem Deutschen“, gab Morales frostig zurück. „Wer sind Sie überhaupt?“
„Pierre. Pierre ist mein Name. Ich habe eine dringende Nachricht für den Deutschen. Wenn Sie einer seiner Mitarbeiter sind, richten Sie ihm bitte aus, dass Pierre angerufen hat. Es ist sehr wichtig, bitteschön …“
„Hören Sie, Mister Pierre, Sie verschwenden hier meine Zeit“, erwiderte Morales. „Wer immer Sie auch sein mögen, der Deutsche ist seit vielen Jahren tot. Geht das in Ihren Spatzenschädel rein? Und die meisten Männer der ehemaligen Einheit sind ebenfalls tot. Ich sage bewusst ehemalig, denn die Einheit gibt es nicht mehr. Genausowenig wie den Deutschen.“
Pierre zögerte einen Moment. „Aber es ist wichtig, äußerst wichtig“, beharrte er. „Sind Sie … Moment … Morales?“
„Ja, verflucht. Woher kennen Sie mich und meinen Namen?“
„Dann sind Sie einer der Männer des Deutschen?“
„Sagen Sie, sind Sie auf den Kopf gefallen, Mister Pierre?“, keifte Morales, der immer ungehaltener wurde. Die hohe Stimme ging ihm ohnehin auf die Nerven. „Oder haben Sie sonst ein schwerwiegendes Problem? Sie sind ein paar Jahre zu spät dran, Mann, kapieren Sie das endlich.“
„Aber es ist wirklich wichtig. Ich habe eine Anzeige zu machen.“
„Was für eine Anzeige, verflucht noch mal?“
„Das Gerät, das bei mir steht, es … es hat gerade vorhin ausgeschlagen. Und ich habe den Auftrag, in diesem Fall …“ Er verschluckte sich und hustete erstmal. „… in diesem Fall also sofort den Deutschen oder einen seiner Leute zu informieren“, keuchte und würgte Pierre den Satz zu Ende.
Morales wehrte sich mit Händen und Füßen gegen die aufsteigende Neugier. Er wollte eigentlich nichts mehr mit den Dingen zu tun haben, die mit dem Deutschen in Zusammenhang standen. Zu traumatisch waren die Erinnerungen an den Höllenplagendämon selbst heute noch. Den Satz „Und was ist das für ein Gerät, Mister Pierre?“ konnte er dennoch nicht verhindern. Noch im selben Moment hasste er sich dafür.
„Na, ein Gerät eben. Sie müssen unbedingt vorbeikommen und es sich ansehen, Mister Morales. Es ist wichtig. Ich weiß damit nichts anzufangen, ich mache nur die Anzeige. So wie es der Deutsche mir aufgetragen hat.“
Morales schaffte es auch nicht, die nächste Frage zu unterdrücken. Die Neugier war längst zu groß geworden. „Wo finde ich Sie, Mister Pierre?“
„In Alaise. Sie werden kommen, Mister Morales?“
„Worauf Sie einen lassen können.“

Morales ist eines der neusten Mitglieder im Team und es gibt einiges über ihn und die Organisation, für die er zuvor gearbeitet hat, das wir noch nicht wissen. In diesem Band erfahrt ihr ein wenig mehr, aber da ist auf jeden Fall noch Raum für weitere Geheimnisse. Ihr dürft euch also auf etwas freuen 😉