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Christian Schwarz hat den Teilroman „Tirso“ im aktuellen Band „Sturm auf die Bastille“ geschrieben. Unter anderem spielt dieser Roman auf dem Elfenhof in Island, ganz in der Nähe des Tals Torisdalur. Dummerweise hatte Christian Probleme damit, Torisdalur zu finden. 🙂 Hier er zählt er die ganze Geschichte.
Als Andrea mir „mein“ Exposé für Band 80 schickte, freute ich mich riesig. Große Teile des Romans sollten in Island spielen. Diese HUNTER-Location, wie’s heute so schön heißt, war immer einer meiner Lieblingsschauplätze gewesen, das Tal Torisdalur mit dem Hermes-Trismegistos-Tempel, Magnus Gunnarsson, Unga, der Elfenhof etc. Nun sollte/durfte ich als Altleser und relativer Neuautor darüber schreiben. Super, dachte ich, das würde zudem den Rechercheaufwand in Grenzen halten, da doch zahlreiche Szenen und Aussagen noch ziemlich präsent bei mir sind.
Doch dann war sie plötzlich doch da, meine große persönliche Recherche-Herausforderung. Sie begann mit dem harmlosen Expo-Satz: „Der Elfenhof liegt in der Nähe des Tals Torisdalur, in dem der Tempel des Hermes Trismegistos gestanden hat, bevor er eingestürzt ist“, versehen noch mit der Fußnote: „Mach einfach mal eine Google-Bildersuche nach Torisdalur.“ [Anmerkung von mir, Andrea: Das war als Aufforderung gemeint, sich die Landschaft mal anzusehen. Die ist nämlich recht außergewöhnlich.]
Nun, die genaue Lage des Elfenhofs, auf dem Tirso, Virgil Fenton und Reena hausten, war ein nicht ganz unwichtiges Faktum für mich. Dorian sollte nach meinem Willen den Hof von der isländischen Hauptstadt Reykjavyk aus mit einem Schneemobil ansteuern. Und zwar im Dezember, wenn es in Island gerademal fünf Stunden Tag ist. Meine Überlegung: Schafft Dorian die Strecke noch bei Tag oder kommt er bereits in der Nacht auf dem Elfenhof an? Also zuerst mal in die Fact-Datei schauen. Vielleicht steht da ja was drin? Torisdalur kommt da erstaunlicherweise nicht vor. Aber der Elfenhof. Und der liegt laut interner Fact-Datei rund 60 Kilometer von Reykjavyk entfernt.
So weit so gut. Sechzig Kilometer in fünf Stunden durch unwirtliches Gelände – kann ein Schneemobil so was schaffen? Wie schnell sind die Dinger überhaupt? Google bemühen, oha! Bis zu 130 km/h kriegen die Dinger drauf, die Strecke kann Dorian also locker bei Tageslicht schaffen.
Und nun kommt Andreas Fußnote ins Spiel. Ich googelte Torisdalur und fand zahlreiche Bilder einer unwirtlichen Steinlandschaft. So wie Torisdalur eben immer beschrieben worden war. Alles gut. Oder? Irgendwann kam ich auf die Idee, mir die genaue Lage des Tals über Google Maps anzusehen. Und jetzt wurde es abenteuerlich. Plötzlich lag Torisdalur ganz im Osten der Insel, rund 250 Kilometer von Reykjavyk entfernt. Mehr hatte ich zunächst nicht. Also begann ich, kreuz und quer nach weiteren Informationen bezüglich der Lage zu suchen. Gar kein leichtes Unterfangen, denn die Aussagen, die Google lieferte, waren ziemlich unklar. Ich verbiss mich förmlich darin. Über viele Stunden, in denen ich sicher zwei, drei Kapitel hätte schreiben können. Trotzdem musste die Recherche sein. Denn ich möchte irdische Locations immer so präzise wie möglich beschreiben, künstlerische Freiheit hin oder her.
Man mag es einen Spleen nennen, eine zwanghafte Handlung oder sonstwas, weil diese Details den Leser ohnehin kaum interessieren, aber so wie jeder Schriftsteller schreibe ich ja nicht nur für die Leser, sondern auch für mich. Das heißt: Zuerst mal muss ich mit meinem Werk zufrieden sein, bevor ich es für die Allgemeinheit freigebe. Dinge, wie sie etwa James Clavell in seinem berühmten Roman Tai-Pan praktizierte, dass er einzelne Stadtteile Hongkongs nach Gutdünken gegeneinander verschob, weil das gerade besser in die Dramaturgie passte, kämen für mich niemals in Frage.
Zurück zum Thema. Als ich für den Roman im März recherchierte, gab Google für Torisdalur nur diese eine Location an der Ostküste in der Nähe von Höfn her. Irgendwann stieß ich dann auf die Information, dass es sich um eine Farm in einer öden Gegend handle. Wie, kein Tal? Diese Sache beunruhigte mich so, dass ich Andrea anmailte. Wir einigten uns dann darauf, es bei den 60 Kilometern Entfernung zu belassen, die in der Fact-Datei angegeben werden. Hatte der geschätzte Autorenkollege Ernst Vlcek seinerzeit bei der Festlegung dieser Distanz bereits zwei, drei Gläschen Rotwein zu viel? Oder ist sie der Tatsache geschuldet, dass ohnehin alles relativ ist? Und dass es damals noch keinen Google gab?
Seltsam: Jetzt, da ich diesen Blog schreibe und die Entfernungs-Recherche nochmals nachvollziehe, bekomme ich plötzlich zwei Torisdalur. Den Bauernhof im Osten und eine West-Location nordwestlich von Reykjavyk. Da ist es plötzlich, das langgesuchte Tal! Hatte vielleicht auch ich ein Gläschen Rotwein zuviel? Nein, unmöglich, ich trinke tagsüber keinen Alkohol. Egal, wie immer das zugegangen sein mag, ich habe meinen Seelenfrieden wieder. Denn das Tal Torisdalur liegt laut Entfernungsmaßstab rund 100 Kilometer von Reykjavyk entfernt. Und da der Elfenhof „in der Nähe des Tals“ angesiedelt ist, haut das alles plötzlich wunderbar hin.
Ernst, du warst eben doch der Größte.